laut.de-Kritik
Hemmungslose Show am Rande des Wahnsinns.
Review von Simon LangemannBonaparte kamen jüngst bei Warner Music unter und veröffentlichen nun mit "0110111 - Quantum Physics & A Horsehoe" nach nur zwei Studioalben ihre erste Live-DVD. Wer die einmaligen Live-Auftritte der verrückten Berliner noch nie hautnah erleben durfte, mag diesen Release als erstes Anzeichen der Major-typischen Kommerzstrategie wahrnehmen. Die knapp 100-minütigen Show stellt jedoch klar, dass die Produktion einer DVD die logische Konsequenz aus dem theatralischen Bonaparte-Wahnsinn darstellt.
Mit "0110111" macht die Band ihrem selbst auferlegtem Genrebegriff "Visual Trash Punk" alle Ehre. Während es musikalisch eher rustikal und primitiv zugeht, zündet die Band auf der Bühne ein visuelles Feuerwerk. Die eindrucksvolle Lightshow beschert dem Zuschauer ein Wechselbad der Stimmungen und steht mit aufwändiger Aufmachung im klaren Kontrast zu den spartanischen Songs. Ob hell erleuchtet, düster oder von gleißendem Stroboskop durchflutet, das Kamerateam fängt das Geschehen auf der Bühne stets aus spektakulärsten Perspektiven ein.
Ein weiteres Markenzeichen des Bonaparte-Spektakels sind die zahlreichen Darsteller, die sich auf der Bühne zu den Musikern gesellen und die Show mit einer eigentümlichen Mischung aus Tanz und Schauspiel begleiten. Zwar ziehen sich diese teilweise gänzlich zurück, ihr künstlerischer Beitrag scheint jedoch gleichberechtigt zur Band und ist aus der Gesamtdarbietung nicht wegzudenken. Auch die Minuten vor und nach der Live-Performance, die sich Theater-typisch in zwei Abschnitte teilt, stehen ganz im Zeichen des außergewöhnlichen Schauspiels.
Vom durchgedrehten Pferd ("Horsehoe") bis zum freizügigen Zimmermädchen und vom überdimensionalen Säugling bis zum halbnackten Kerl mit Tigermaske findet jeder seine Rolle in der wilden Besetzung. Die bunte Truppe wandert dabei auf einem schmalen Grat zwischen Sketch-artiger Comedy, exzessivem Rockstarleben, krankhaftem Gehampel und burlesquen Einflüssen.
Location, Konzertsituation und Outfit der Musiker wechseln teilweise selbst während der Songs, was aufgrund des gekonnten Schnittes jedoch nicht weiter stört und die spektakulären Bilder nur noch abwechslungsreicher macht. Von der Berliner C-Halle über den schwitzigen Club in die stadionartige Arena: Überall entfachen Bonaparte mit ihrer hemmungslosen Show die gleiche Ekstase, so dass die einzelnen Versatzstücke zum nahtlos wirkenden Konzertmitschnitt zusammenwachsen.
Einen der größten Momente beschert "Wir Sind Keine Menschen" mit seiner charakteristischem Synthesizermelodie. Hier erinnern Bonaparte mit Industrial-artig verzerrtem Gitarrensound und kraftvollen Drums ein wenig an die Nine Inch Nails. Parallel dazu räkeln sich die Tänzerinnen wie im Rausch auf der Bühne und sparen dabei weder an Kunstblut noch an nackter Haut.
Das orientalische "Adabmal" markiert den düstersten Punkt des Live-Sets. Stilecht verkleidete Tänzerinnen und ein trommelndes Rhythmus-Ensemble sorgen für ein geheimnisvolles, seltsames Ambiente. Viel feierlicher geht es in "Computer In Love" zu, in dem sich mit alten Röhrenbildschirmen maskierte Schauspieler auf wilde Liebeszenen einlassen. Weitere Höhepunkte sind der Smash-Hit "Anti Anti", das schräge "My Horse Likes You" sowie "Fly A Plane Into Me" mit seinem ständig wiederholten Keyboardmotiv.
Trotz der beschränkten Instrumentierung gehen Gitarre, Bass und Keyboard meist im dröhnenden Matsch unter. Die mäßige Soundqualität des Mitschnitts stört jedoch nur bedingt, schließlich klingen die Auftritte der Berliner auch in Wirklichkeit selten klarer. Zudem gibt die Aufnahme die energiegeladene Performance der Musiker trotz allem sehr gut wieder. Wer von einer Bonaparte-DVD ein musikalisches Meisterstück erwartet, geht die Sache ohnehin von der falschen Seite an.
Als "Behind The Scenes"-Material bezeichnen Bonaparte natürlich alles andere als eine typische Band-Dokumentation. So liefern sie als Beilage einen äußerst sehenswerten, 35-minütigen Kurzfilm, in dem das Kollektiv seiner Eigenartigkeit fernab von der Bühne noch mal freien Lauf lässt.
Am Ende bleibt vor allem eine Frage im Raum stehen: Wie um alles in der Welt will die junge Band diesen Wahnsinn noch übertreffen? Womöglich fahren Bonaparte mit dem Warner-Budget im Rücken bald die ersten Flammenwerfer auf. Man darf gespannt sein und sich schon jetzt auf die nächste Tour sowie auf eine weitere Live-DVD freuen.
3 Kommentare
Puh, hab die schon 2x live gesehen ("zwangsweise") und muss sagen - wenn ich Show will, geh ich ins Cabaret. Wenn ich gute Musik will, überall hin aber nicht zu Bonaparte. Die wahrscheinlich überschätzteste Kombo, die sich derzeit überhaupt ungefragt auf Europas Bühnen drängt.
Hipstermist!
live sind die sooo geil, werds mir sicher kaufen!!!
Ich weiß ja nicht, ob man hier links als beispiel reintun darf, weil die vorgeschlagenen videos überhaupt nicht wiederspiegeln, wie die live drauf sind, also mach ich das mal:
http://youtu.be/WOFoButqan0
5/5