laut.de-Kritik
Begleitmusik für den (misslungenen) Suizidversuch.
Review von LAUT-RedaktionEin österreichischer Journalist hat Will Oldham, der musikalisch als Bonnie "Prince" Billy firmiert, mal als "hässlichsten Mann der Popgeschichte" tituliert. Die Kombination von dem Plattencover von "Master & Everyone" mit dem unvorteilhaften Portrait sowie das gesamte musikalische Schaffen Oldhams dürften ihn zu diesem Urteil bewegt haben. Ein Mensch, so schlussfolgert er weiter, der so traurige Musik macht, muss so hässlich sein, dass er keine Freunde hat. Tatsächlich ist die todtraurig klingende Stimme Oldhams das hervor stechende Merkmal all seiner Aufnahmen, die fast ausnahmslos als Begleitmusik für den (misslungenen) Suizidversuch geeignet scheinen.
Bereits in seinen Anfangsjahren, als er noch unter den Pseudonymen Palace Brothers, Palace Songs und Palace Music veröffentlichte, war der verzweifelte Gesang das charakterbildende Stilmittel, begleitet nur von der Gitarre oder einer Band, die man, je nach Standpunkt, als unkonventionell und schräg oder aber als dilettantisch bezeichnen könnte. Der Aufnahmetechnik wurde wenig Bedeutung zugemessen, was den Zugang zu dieser Art von Musik deutlich erschwerte. Die Form trat hinter den Inhalt zurück und machte die Mühseeligen und Beladenen glücklich.
Nachdem Johnny Cash den Billy-Song "I See The Darkness" aufgenommen hatte, wurde Oldham gefragt, welche Titel er denn gerne mal covern wollte. Er konnte sich nicht festlegen, verwies aber darauf, dass die Stücke ihn persönlich berühren müssen und er nach Sachen sucht, die andere vielleicht noch nicht gehört haben. Er scheint nur bei sich selbst fündig geworden zu sein. Als Bonnie "Prince" Billy hat sich Oldham nun seine Lieblingssongs aus der Palace-Periode rausgesucht und mit "Greatest Palace Music" ein Album mit Coverversionen der eigenen Songs rausgebracht.
Nun ist die Überraschung groß, der eingefleischte Fan wahrscheinlich entsetzt: Bonnie "Prince" Billy hat ein Country-Album herausgebracht. Wie schon bei "Master & Everyone" hat sich Mark Nevers (Lambchop) hinters Mischpult gesetzt, und auch Mary Slayton ist wieder für den Backgrond-Gesang zuständig. Hinzu kommen diverse Gastmusiker, die nach Billys Umzug nach Nashville, dem Mekka der Countrymusik, stilbildend mitgewirkt haben. Dominierende Steel-Gitarren, einschmeichelnde Streicher und ergreifender, harmonischer Hintergrundgesang lassen die einst schrägen, ungehobelten und widerspenstigen Songs in einem völlig anderen Licht erscheinen.
Natürlich bestimmt nach wie vor die brüchige, schwermütige und manchmal weinerliche Stimme Oldhams das Geschehen. Hatte man bei den Palace-Alben den Eindruck, dass der Oldhamsche Kosmos aus 'Sich in der Welt verloren fühlen' und 'Suche nach Halt' noch klar bestimmt war von der Orientierungslosigkeit, so scheint nun die Hoffnung auf Erlösung um sich zu greifen. Immer wenn das Gefühl aufkommt, Oldham könnte sich wieder in Schwermut verlieren, wird er von den Musikern um ihn herum sanft aufgefangen.
War bei den Urversionen noch das vorherrschende Gefühl, als müsse man die Weiten der Prärie bei sengender Hitze auf einem alten störrischen Esel durchqueren, so ist es nun, als habe man diesen eingetauscht gegen ein gutmütiges und williges Maultier, das einen zwar langsam aber sicher dem Horizont entgegen schaukelt. In manchen Stücken, wie dem abschließenden Boogie-Version von "I Am a Cinematographer" oder beim "Ohio River Boat Song" verfällt es sogar in leichten Trab. Danach kommt man sich leicht durchgeschüttelt vor und entspannt sich lieber wieder bei so betörend schönen und unheimlichen Songs wie "More Brothers Rides" oder "You Will Miss Me When I Burn". In diesen Stücken, wie eigentlich auf dem gesamten Album bilden die brüchige Stimme von Bonnie und der harmonielastige Musikteppich der Gastmusiker eine kongeniale Einheit.
All die Depressiven, die sich in der Musik von Will Oldham bisher gut aufgehoben fühlten, dürften sich nun etwas verloren vorkommen. Die Melancholiker hingegen haben eine neue Heimat und einen neuen Guru. Will Oldham scheint Freunde gefunden zu haben, und unter seiner wuchernden Gesichtsbehaarung sieht der alte Zottel vermutlich ziemlich gut aus.
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