laut.de-Kritik
Old School, aber nicht von gestern.
Review von Artur SchulzKarriere-Stehaufmännchen tummeln sich reichlich in der Musikszene. Aber Stehauffrauen? Die sind rar und oft aus ganz besonderem Holz geschnitzt. Zäh und ausdauernd begann Bonnie Raitt bereits 1971 ihre Solo-Karriere, die geprägt war von Höhen und Tiefen. Wer das übersteht, kann sich Gelassenheit leisten. Und wie Bonnie auch mal im Windschatten (= "Slipstream") großer Kollegen wie Bob Dylan deren Songs neu interpretieren.
Randall Brambletts "Used To Rule The World" greift auf Anhieb dank druckvoller Soul-Grooves und punktgenauer Slide-Guitar-Parts. Die Hammond-Orgel begnügt sich nicht mit einem Dasein als dekoratives Beiwerk, sondern mischt den ganzen Song-Laden erst so richtig auf. Auch Gerry Raffertys "Right Down The Line" punktet durch intensive und atmosphärische Umsetzung.
Herausragend: die Neueinspielung von Dylans "Million Miles". Karg und spröde rumpelt das Schlagzeug umher, während Bonnie das Nöhlen des Meisters durch höchst sinnlichen Bluesgesang ersetzt. Eine dramatisch umherwabernde Twang-Gitarre verleiht dieser vorzüglichen Adaption den letzten, ganz besonderen Schliff. "Rock me pretty baby / rock me all at once" fordert Bonnie, und setzt verlangtes Rocken selbst gekonnt um.
Nachdenklicher geht es auf Bobs "Standing In The Doorway" zu, dezent-gefühlvoll arrangiert, und mit treffsicheren Slide-Guitar-Akzenten veredelt. "Down To You" wirbelt gekonnt über die Rock'n'Roll-Dielenbretter der Fifties. Im Alben-Mittelteil legt Bonnie eine kleine Balladenpause ("Take My Love With You", "Not Cause I Wanted You") ein, bevor mit "Ain't Gotta Let You Go" ein kräftiger Blues-Shuffle wieder fürs Mitwippen sorgt.
Bonnies Band agiert spürbar gelöst, und mit reichlich Spaß an der Sache. Manch besonderer Song- und Produktions-Kick geht aufs Konto des stilsicheren Joe Henry, dessen Mitwirkung Bonnie Raitt gern hervorhebt: "Ich bin ein großer Fan seiner Sachen. Ich habe angefragt - und gleich unser erstes Telefonat dauerte über zwei Stunden". So ist Henry auf "Slipstream" denn auch mit gleich vier Tracks vertreten.
Stimmlich agiert Bonnie mit viel lässiger Nonchalance, lässt aber auch der Rockerin in ihr reichlich Raum. Ein Uptempo-Song wie "Split Decision" profitiert von den satten Beats und quengeliger E-Gitarre, vor allem aber von ihrem rauhen, druckvollen Gesang. Der in manch Passage sogar richtig schön dreckig klingt. Natürlich lässt Bonnie Raitt hier und dort dezente Pop-Elemente in manch Song mit einfließen. Doch insgesamt geht "Slipstream" als ehrlich-erdige Platte durch, die keinerlei aalglatte Oberflächenpolitur aufweist. Sehr Old School das Ganze, doch nie von gestern.
1 Kommentar
Ist ja lustig, vor zwei Tagen erst beim Colbert Report gesehen, davor noch nie etwas gehört.