laut.de-Kritik

Intime Folksongs mit sanfter Emphase.

Review von

Dieses Album konnte wohl nicht anders heißen: "The Clearing". Es ist ein symbolischer Titel, der wohl auf so manch schicksalsträchtigen Moment in der jüngeren Vergangenheit des New-Folk-Duos Bowerbirds hinweisen soll. Er könnte sich auf jene kleine Lichtung in den Wäldern North Carolinas bezogen, auf der Beth Salmon und Phil Moore schon vor Jahren ein baufälliges Holzhaus bezogen, das einst von befreiten Sklaven nach Ende des amerikanischen Bürgerkriegs errichtet worden war.

In dieser Hütte schrieben die Bowerbirds, deren intimisierende Alt-Folk-Songs schon immer in die Utopie der Wildnis wiesen, auch die Songs ihres dritten Albums. Sie wurden im Dachs-Staat Wisconsin in Bon Ivers Studio mit dessen Toningenieur Brian Joseph aufgenommen. "The Clearing" steht im Englischen jedoch auch für das Aufklaren des Himmels, also einen Moment meterologischer Katharsis. Wahrscheinlich trifft es diese Lesart des Titels noch etwas besser.

Denn Salmon und Moore haben nach dem Release ihres luftig-introspektiven Zweitlings "Upper Air" wahrlich schwere Zeiten durchgemacht. Das Paar, das sich einst nach den aufs Romantischste balzenden, ozeanischen Laubenvögeln benannte, hatte sich zwischenzeitlich nicht nur voneinander getrennt, weil sich die Sphären Arbeit und Liebe zu sehr vermischt hatten. Beth Salmon litt zudem an einer mysteriösen Infektion und lag mehere Tage lang auf der Intensivstation.

Dieser Schockmoment und die Verheißung verstummender Bowerbirds hatte beiden um so deutlicher vor Augen geführt, dass sie zusammengehören. Einen tieferen Lebenssinn hatten Salmon und Moore dabei auch durch die Nachbarshündin "Spice" wiedergefunden. Sie war vor ihren Tourbus gelaufen, wurde von dem Paar gesund gepflegt und gehört nun zur Familie. Miranda July dürfte vor Verzückung in die Hände klatschen, wenn sie von dieser Geschichte hört.

Bei so viel existenzialistisch anmutenden Erfahrungen verwundert es nicht, dass die Bowerbirds auf "The Clearing" auch musikalisch größere Gesten für sich entdeckt haben. "Oh my dear friend, everything falls to death", singt Moore schon in "Tuck The Darkness In" mit der ihm typischen, sanften Emphase, ehe die Bowerbirds den Song mit seiner düsteren Erntemetaphorik zu einem großen Folk-Crescendo anschwellen lassen.

Überhaupt klingen sie wegen der flirrenden Geigen, des tief schwingenden Klaviers, der angezerrten E-Gitarren, der klapprigen Perkussions und den verhuschten Chorälen an so mancher Stelle wie eine Veranda-Variation von Arcade Fire, ohne dass die Bowerbirds dabei ihre größte Stärke einbüßen: Die aufrichtige, persönliche Ansprache, die stets ohne Pose und Ironie auskommt. So wähnt man sich tatsächlich mit der Band am Holzofen, wenn Moore im wunderbaren "This Year" über den langen, kalten Winter singt.

Es ist ein Song, der in seiner knisternden Opulenz an das Werk von Bon Iver erinnern muss, wenngleich sich die Bowerbirds im Zweifel dann doch gegen streng programmierten Folk-Pop entscheiden und lieber einen Art-Folk mit ganz eigener Betonung in den Arrangements spielen, der trotz einiger spröder Momente keine künstliche Distanz zum Hörer aufkommen lässt. Man ist quasi mit Salmon, Moore und "Spicy" draußen in der Natur und zimmert mit an ihrer Holzhütte: "The logs we peeled and stacked in a ring/ And then we crowned it, our tiny house, with tin."

Trackliste

  1. 1. Tuck the Darkness In
  2. 2. In the Yard
  3. 3. Walk the Furrows
  4. 4. Stitch the Hem
  5. 5. This Year
  6. 6. Brave World
  7. 7. Hush
  8. 8. Overcome With Light
  9. 9. Sweet Moment
  10. 10. Death Wish
  11. 11. Now We Hurry On

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