laut.de-Kritik
Endlich drei neue Freunde.
Review von Franz Mauerer"Digital Ash in a Digital Urn: A Companion EP", "I’m Wide Awake It’s Morning: A Companion EP" und "Lifted or the Story Is in the Soil, Keep Your Ear to the Ground: A Companion EP" - das ist die zweite Charge an Companion-EPs, die die Re-Releases der jeweiligen Alben begleiten. Das Ganze gibt es, weil Conor seinem eigenen Plattenlabel untreu wurde. Dead Oceans' Mutterfirma Secretly hat halt mehr Moneten als Saddle Creek, wo seit langem nur Oberst kommerziell relevanten Erfolg erzielt.
Der Gag an den EPs ist, dass sie einige der Songs der jeweiligen Alben covern. Die Herausforderung ist ebenso offensichtlich wie der Reiz des Konzepts: Zumindest "I’m Wide Awake It’s Morning" ist ein Meisterwerk, die beiden anderen Alben brauchen sich alles andere als zu verstecken, zumal sie allesamt sehr emotionale, kohärente Werke sind. Cover sind immer leichter, wenn das Ausgangsmaterial stark ist, und das ist hier der Fall. Die Gefahr der Beschädigung älterer Songs, in die sich auch ein Oberst nach so vielen Jahren natürlich nicht mehr zu 100% einfühlen kann, ist aber auch nicht zu leugnen.
Beginnen wir chronologisch mit "Lifted or the Story Is in the Soil, Keep Your Ear to the Ground: A Companion EP" und stellen mit Verwunderung fest, dass "The Big Picture", einer der verletzlichsten Songs überhaupt, in seiner Companion-Version ein recht fettes Gitarrenriff bekommen hat. Eine Version, die mit seinem dröhnenden Bass selbst auf ein Mystic Valley-Album nicht so gut gepasst hätte. Kein schlechter Song, aber erstmal schwer zu verarbeiten. "Laura Laurent" raubt Oberst den Twang, dafür baut er eine Elektro-Folk-Ode mit beeindruckender Fallhöhe.
Ans Meisterwerk "You Will. You? Will. You? Will. You? Will." traut Conor sich ran und geht auch hier konsequent mit dem scharfen Skalpell vor. Aus der Einmann-Gitarren-Herzschmerz-Leier wird ein rhythmusbasierter Song mit Xylophon, Klavier und Schlagzeug. Besser als das Original ist das nicht, interessante Aspekte zeigt es aber auf, zumindest bevor Oberst zum Schluss in den Pop-Rock abdriftet. "Nothing Gets Crossed Out" kommt zu Beginn noch mit vergleichsweise wenig Änderungen weg, wirft in der Mitte des Songs aber sein altes Gewand ab und badet in elektronischen Spielereien, die diese Version über das Original heben. "November" ist der auf allen Companion-EPs obligatorische neue Cover-Track anderer Acts, in diesem Fall von den hervorragenden Saddle-Creek-Kolleginnen Azure Ray. Daraus wird ein trauriger Bright Eyes-Standard, der angenehm träge vor sich hin trottet und Richtung Jason Molina schielt. Der Teenage-Angst-Song "Waste Of Paint" verliert in der Neubearbeitung seine unbedingte Dringlichkeit, ersetzt die aber zumindest teilweise durch Spielfreude und einen sichtbar bemühten Oberst.
"I’m Wide Awake It’s Morning: A Companion EP" setzt den elektronischen Reigen mit dem im Original wundervollen "Old Soul Song (For the New World Order)" fort. Die Schmissigkeit des Originals wird dadurch nicht geopfert, dessen untrügliches Gespür für Pausen aber schon. Die Bearbeitung ist technisch fein und mit teils wunderschönen Melodien angereichert, bleibt in ihrer epochal angelegten Atemlosigkeit aber inszeniert und wird so dem organischen Original nicht ganz gerecht. Aber auch hier gilt: interessant.
Es folgt "First Day Of My Live", ein Song, dem auf Youtube gefühlt jede zweite Band der Welt schon nicht gerecht werden konnte und auch Oberst scheitert an diesem Liebes-Behemoth. Zu jenem Zeitpunkt schleicht sich das Gefühl ein, dass Oberst "I’m Wide Awake It’s Morning" als akustischeren Bruder von "Digital Ash In A Digital Urn" dem Geschwister annähern wollte. Das geht aber bei diesem lyrisch ja weiterhin federleichten Song daneben. Nicht völlig, der Bass und die arg im Vordergrund stehenden Drums versuchen aber etwas auf die Tanzfläche zu ziehen, das dort verbrennt wie der Fledermausfürst im Strandurlaub.
"Fare Thee Well, Miss Carousel" ist der unveröffentlichte Song und covert Townes Van Zandt. Ein exzellenter Song, dem Oberst und seine Mitstreiter Mogis und Walcott nur wenig hinzufügen können als ein zwar technisch kompetentes, aber unnötiges und unnötig stampfendes "Mehr", das der neuen Version die Schlitzohrigkeit des Originals nimmt. " We Are Nowhere And It’s Now" ist ein Meisterwerk, das in seiner Companion-Version gleichzeitig skelettiert und mit viel Geigenstreicher und weiblicher Gesangsbegleitung aufgebläht wird. "Road To Joy" fährt völlig gegen die Wand. Der sich im Original langsam steigernde Song hört sich nun an, als hätte Leonard Cohen in den 80ern das erste Mal am Keyboard herumgespielt. "Land Locked Blues" leidet unter denselben Symptomen wie der Rest dieser missglückten EP, die fehlende Ideen durch Aufgeblasenheit auszugleichen versucht.
"Digital Ash in a Digital Urn: A Companion EP" hat gegenüber den anderen beiden EPs den Vorteil, dass man es eigentlich nicht elektronisch überarbeiten kann. Am Übersong "Easy/ Lucky/ Free" versucht sich Oberst ebenso wenig wie am Hit "Take It Easy (Love Nothing)". Stattdessen nimmt er sich des im Original komplexen, flirrenden und vielfältigen "Hit The Switch" an, das er den Drums beraubt und dem Song stattdessen den Southern-Twang, sogar samt Mundharmonika, aufdrückt, den er an vielen Stellen seines Oeuvres anwendet. Die neue Version gerät tatsächlich noch mitreißender als das Original. Was für ein toller Track.
Die Systematik setzt sich auf "Down In The Rabbit Hole", einem der wichtigsten Songs auf "Digital Ash in a Digital Urn", fort. Auf dieser EP wird akustisch gemacht, was elektronisch war. Das gerät in diesem Fall ganz gut, auch wenn die Dringlichkeit des Originals von der Santana-Gedächtnisgitarre zunichtegemacht wird. "Arc of Time (Time Code)" war im Original eines der besten Lieder der Bandgeschichte und zeigt, wie weit die Vermählung von Elektronik und Akustik tragen könnte, wenn Oberst und Mogis sie im Studio damals öfter konsequent umgesetzt hätten. Ein Teil fehlt nun in der neuen Version, weshalb diese nichts hat, was sie gegenüber dem Original auszeichnen würde.
"Ship In A Bottle" verliert in der Neubearbeitung auch dank einer nervigen Geige seinen Sturm und Drang, jeder, der vor 17 Jahren schief angeschaut wurde, wenn in der Mitte des Lieds das Baby schreit, wird sich vielleicht freuen, dass das Geschrei die Neubearbeitung nicht überlebt hat. Mit "Agenda Suicide" werden wieder hochgradig verdiente Labelkollegen geehrt, und zwar Obersts Kurzzeitband The Faint. Wer die kennt, weiß, wie schwer sie zu covern sind. Oberst gelingt dies mit Bravour, auch weil er nicht versucht, dem Song die zu The Faint so essenziell gehörende Grandezza zu nehmen. "Gold Mine Gutted" war im Original einer der schwächsten Songs des Albums, zuvorderst wegen des schwachen Produktionsniveaus. Die Folk-Version kann auf der Companion-EP deutlich mehr überzeugen und bewahrt gleichzeitig, was im Original gelungen angelegt war - der beste Songs aller Companion-EPs.
Die Companion-EPs sind insgesamt eine stets interessante, in der Konzeption oft etwas faule, musikalisch hochkompetente Angelegenheiten. Die Notwendigkeit eines neuen Bright Eyes-Albums ersetzen sie aber auf keinen Fall, sind aber nicht nur für den geneigten Fan lohnend. Die LP-Versionen sehen auf den einschlägigen Handelshäusern im Übrigen wunderschön aus und sind ab dem 25.11. verfügbar.
1 Kommentar
Diese ganze companion Sache ist mir relativ egal. Keine Meinung zu den Alben.
Aber als ewiger bright eyes fan hab ich im Sommer endlich Mal wieder Conor in Zürich sehen können. Und huiuiuiui ist das besorgniserregend. Der Gute war quasi permanent am Saufen. Wirkte dadurch irgendwann gut neben der Spur. Zwar mittlerweile ein viel besser "Entertainer" als zu Beginn. Aber wenn ich mir das so angeschaut habe, dachte ich mir, der macht es nicht mehr lange...