laut.de-Kritik
Körniges Bild, perfekter Sound und eine Prise DSDS.
Review von Benjamin FuchsStell dir vor, du bist auf einem Bryan Adams-Konzert. Du findest seine Songs zwar gut, kennst sie aber nicht in- und auswendig. Ganz zu schweigen davon, sie singen zu können. Ehe du dich versiehst, stehst du aber auf der Bühne vor geschätzten 10.000 Leuten, bist kurz vor dem Herzkasper und stellst fest, dass du den Text eben nicht kannst. Tja, dumm gelaufen und gut zu wissen, dass dieser peinliche Moment auch noch auf DVD für alle Zeiten fixiert sein wird.
Zu Glück ist ein Bryan Adams aber schon lange kein Anfänger mehr und hat ein Textblatt parat. Situation gerettet. Nur bei der Intonation des Songs kann auch Adams nicht mehr helfen. Im Falle des Lissabon-Konzerts, das auf der mittlerweile dritten Adams-Live-DVD bestaunt werden darf, klingt der Fan-Einsatz so ein wenig nach DSDS-Casting. Der grundsympathische, ewig in Jeans verpackte Kanadier nimmts mit einem Lächeln und zieht "When You're Gone" mit weiblicher Unterstützung bis zum Ende durch.
Etwa zwei Stunden dauert die Show in Lissabon, die Teil der "Room Service"-Tour war und alle Hits beinhaltet, die man auf einem Bryan Adams-Konzert hören möchte: "Summer Of '69", "Cuts Like A Knife" oder "I Do It For You". Auch ganz frühe Sachen wie "Straight From The Heart", das er nur von der Akustikklampfe begleitet vorträgt, sind vertreten. Überraschend spärlich, mit gerade einmal vier Songs, bedenkt er Freunde seines aktuellen Albums "Room Service". Das Eingeständnis eines mittelmäßigen Longplayers?
Was für einen Neuheitswert hat diese DVD also zu bieten? Keinen großen, abgesehen von der Bildqualität. Einige Käufer werden sich darüber mokieren, so viel ist sicher: grobkörnig statt hochauflösend, matte Farben anstelle von digitaler Brillanz. "Warum denn das? Haben die kein gescheites Equipment?", möchte man fragen. Haben sie schon. Vielmehr liegt der Fall ähnlich gelagert, wie beim Schlagzeugsound von Metallicas Album "St. Anger": Lars Ulrichs Schießbude musste damals eigentlich auch nicht klingen als sei sie im Badezimmer aufgenommen. Tat sie aber.
Die Filmcrew von Adams hat das Material für diese DVD ausschließlich auf Super 8 und 16mm geschossen. Auf diese Art und Weise entsteht eine riesige Diskrepanz zwischen Retro-Look und glasklarem, nahezu perfektem Sound, die den einen oder anderen verstört zurücklassen wird. Andererseits bringt die Verwendung des veralteten Equipments eine Intimität und Wärme ins Spiel, die die neueste Ausrüstung schwerlich erzeugen könnte. Auch Adams selbst tut einiges dazu, versucht sich in den Songpausen immer wieder als Kameramann und zielt mit der Handkamera auf Publikum, Band und sich selbst.
So gesehen ein schöner Versuch, sich von geläufigen Hochglanz-Liveproduktionen abzuheben. Für alle, die jetzt schon wissen, dass genau das sie stören wird, empfiehlt sich, auf die älteren Mitschnitte "Live At The Budokan" oder "Live At Slane Castle" zurückzugreifen. Als Bonus liefert die DVD ein Radiointerview und die Videoclips der drei "Room Service"-Singles.
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