laut.de-Kritik

Das Tier in ihr lauert unter der Oberfläche.

Review von

Wer das Debütalbum der Wahl-Hamburgerin zu Hause bei sich im Regal stehen hat, dem wird nach dem ersten Durchlauf des Nachfolgers vor allem eines auffallen: Cäthe anno 2013 klingt um einiges poppiger als noch zu Zeiten ihres Erstlings. So zumindest der erste Eindruck.

Heißt poppiger jetzt eingängiger? Nein. Die Songs von Cäthe führen immer noch ins Ungewisse. Kaum wagt es ein Melodiebogen, sich den Gehörgängen zu nähern, steht sein Widersacher bereits trittbereit und schelmisch grinsend im Schatten ("Hoch Oben Nah Dem Sturm", "Kleingeld").

Heißt poppiger jetzt glatter? Nein. Die Percussions, all die flirrenden Klavier- und Orgelelemente sowie punktuell eingestreute Bläser-, Geigen- und Tamburin-Sounds greifen auf dem neuen Album zwar deutlich sanfter ineinander. Doch sorgen die stetigen Dynamikwechsel für reichlich Ecken und Kanten.

Heißt poppiger jetzt leiser? Nein. Denn selbst wenn sich nahezu der komplette Background in die Raucherpause verabschiedet ("Gelbe Kartons", "Einer Ist Immer Der Arsch", "Waffen Niederlegen"), präsentiert sich Cäthes Joplin-Organ immer noch voluminöser als so manch gestandenes Starkstrom-Kollektiv.

Aber was heißt dann poppiger jetzt genau? Um die Frage beantworten zu können, bedarf es zwingend eines zweiten Durchlaufs sowie der eingehenden Analyse des Albumtitels. Cäthe erklärt den Titel wie folgt: "Das Tier steht für die Verbindung mit dem Ursprünglichen, dem Instinktiven in mir. Im Alltag ist es oft verschüttet und versteckt sich. Aber wenn ich mich mit mir befasse, kommt es raus und kann atmen."

Während die 14 neuen Songs ein zweites Mal durch die Boxen schallen, geht dem Rezensenten ein Licht auf. Plötzlich ändert sich die Wahrnehmung. Mit zunehmender Spieldauer bekommt die Discount-Oberfläche tiefe Risse. Aus der Tiefe schießt das "Tier" empor, der verschollene Geist voll Liebe, Kraft und Emotionen. Auf einmal ist es wieder da, das Bild einer festgeketteten Kreativen, die ihr Leben damit verbringt, dem Alltag zu entfliehen.

Musik bedeutet für Cäthe Freiheit. Musik löst die Ketten. Cäthe weiß sich zu befreien, auch wenn der Ausbruch diesmal etwas länger dauert. Das "poppiger" nehme ich übrigens gerne wieder zurück.

Trackliste

  1. 1. Hoch Oben Nah Dem Sturm
  2. 2. Geister
  3. 3. TabulaRasa
  4. 4. Gelbe Kartons
  5. 5. Kleingeld
  6. 6. Alien
  7. 7. Funken
  8. 8. Verschollenes Tier
  9. 9. Die Leute
  10. 10. Tu Was Du Willst Aber Tu Es Langsam
  11. 11. Einer Ist Immer Der Arsch
  12. 12. Auf Die Dächer
  13. 13. Waffen Niederlegen
  14. 14. Mein Herz Mit Dir Bin Ich Frei

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