laut.de-Kritik
Zügellose E-Gitarren und bekiffte Geigen.
Review von Giuliano BenassiFür ihr Comebackalbum "New Roman Times" (2004) ließen sich Camper van Beethoven 15 Jahre Zeit. Seitdem sind schon wieder neun Jahre vergangen, was aber nicht weiter verwundert. Schließlich zeichnet Frontmann David Lowery auch noch bei Cracker verantwortlich, ist mit beiden Combos auf Tour, hat 2011 sein erstes Soloalbum veröffentlicht und organisiert nebenbei ein Musikfestival. Zeit für neue Musik bleibt da kaum.
"La Costa Perdida" ist auch eher ein Zufallsprodukt. Wegen eines verschobenen Konzerts fand sich das Sextett arbeitslos im Haus von Geigen- und Gitarrenspieler Jonathan Segel wieder. "Es lagen haufenweise Instrumente rum, also haben wir einfach losgelegt", erklärt Lowery. Zwei Wochen später hatten sie die Platte im Kasten. Aufgenommen bei Segel, der praktischerweise über ein Studio verfügt.
War "Times New Roman" noch ein anspruchvolles Konzeptalbum, deren Geschichte in der Zukunft angesiedelt ist (die USA in eine Vielzahl an Kleinstaaten zerfallen, die sich gegenseitig bekriegen), dient als bindendes Element die gemeinsame Herkunft der Mitglieder, die aus dem vergleichsweise einsamen Norden Kaliforniens stammen.
Was den Titel ("Die verlorene Küste") erklärt. Traurig geht es in den Stücken jedoch nicht zu, im Gegenteil. Die Stilmixtur bleibt eigen und bunt wie eh und je: Rock, Ska, Country, Lateinamerika, Osteuropa, gar Fernost, alles miteinander verquirlt, zusammen gehalten durch Lowerys nasale, leicht angestrengte Stimme.
Klingt der Opener "Come Down To The Coast" noch verhalten melancholisch, lässt "You Got To Roll" mit einer zügellosen E-Gitarre aufhorchen. Im verträumten "Some Day Our Love Will Set Us Out" kommen bekiffte Geigen zum Einsatz, "Peaches In The Summertime" ist eine pogo-taugliche Ska-Nummer.
"Northern California Girls" ist eine Antwort auf das fast gleichnamige Stück der Beach Boys. So überladen fröhlich der Hit aus der Feder Brian Wilsons, so ironisch/ und melancholisch das Stück von CvB. "Don't you miss the ocean, don't you miss the weather" fragt Lowery die Hauptdarstellerinnen des Stücks, die nach Texas oder Brooklyn umgezogen sind.
Lasst lieber eure guten Jobs zurück, kümmert euch hier um Haushalt und Nachwuchs und schaut euren Kindern beim Surfen zu, fordert er sie auf. Lowery und seine Mitstreiter haben knapp 30 Jahre nach der Gründung weder ihren Schelm noch die Spiellaune verloren. Wie auch die wirbelnden Gitarren und Geigen im besten Stück des Albums, "Summer Days", oder der countryeske Titeltrack zeigen.
Ein gelungene Rückkehr ins Studio. Bis zur nächsten Veröffentlichung von Camper van Beethoven dürfte es übrigens nicht mehr so lange dauern wie im vergangenen Vierteljahrhundert, denn von der zweiwöchigen Aufnahmesession seien noch sieben Stücke übrig, so Lowery. Ein weiteres Album soll kommen.
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