laut.de-Kritik

Sauber an der Blackmore's Night-Zielgruppe vorbei gezielt.

Review von

Wer gar nicht mehr weiß, wie sich Radio-Relevanz in Europa anders ergattern lässt, springt aufs sicherste Pferd auf so wie Candice Night. Sie singt mit schlechten Trillertönen zu mittelmäßig produzierten Folktronic-Beats über eine Frau, die ihre inneren Dämonen bekämpft, "fighting her own demons". So was geht immer. Der Song heißt "Unsung Hero (She'll Never Tell)" und drückt nicht ganz so auf die Tränendrüse wie "The Line Between" und anderes auf dem Album "Sea Glass".

Die Blackmore's Night-Sängerin Candice kämpft, statt gegen Dämonen, mit ihrer eigenen Stimme. Oftmals scheitert sie an selbst auferlegten Tönen. Ihre vertonte Frauenzeitschrift mit Folkrock-Einsprengseln wie "Angel And Jezebel (Rock Version)" erinnert an Hera Lind, scheitert außer an der Glaubwürdigkeit auch an der Gesangstechnik. Der Versuch, gleichzeitig als Katie Melua und Joan Jett-in-Slow-Mo durchzugehen, stolpert alle paar Takte, angesichts der faktischen Klangfarbe einer Emmylou Harris für Arme.

Die Blackmore's Night-Zielgruppe erscheint höchst selten im Visier der Sängerin. Insbesondere ein Instrumental, "Dark Carnival", behebt diesen Missstand ein bisschen und setzt auf die Mittelalter-Kompetenz, von der Candice auch an mehreren altertümlichen Instrumenten nachweislich einige hätte. Ebenso läuft der Jethro Tull-verwandte und eindeutig rundeste Tune "When I Want To Fly" (unter den Eigenkompositionen) in diese Medieval-Richtung. Der allerbeste Song hier erstrahlt hingegen in Form einer unerwartbaren Coverversion.

Die fehlende Stimm-Sicherheit und stilistische Unentschiedenheit machen das Album immer wieder beschwerlich und nicht besonders attraktiv. "The Last Goodbye", tauglich als Rosamunde Pilcher-Soundtrack, schlägt erst den Weg der ätherischen Elfe ein. Dann taumelt Candice beim Unterfangen, von einer unterkühlten, allzu ernsten, doch mal in eine softere, wärmere Stimmfarbe über zu wechseln. Da gebricht es ihr an Stabilität und Volumen beim Singen. Das mädchenhaft gehauchte "Another Day" hört sich lediglich brav und lahm an, wäre aber in einem anderen Arrangement und mit einer anderen Sängerin wahrscheinlich ein schönes Lied, angesichts seiner anrührenden Melodie.

Umgekehrt überrascht es, dass ausgerechnet die Coverversion "Nature Boy" dann wirklich umhaut. Von diesem Jazz-Standard kursieren hunderte Versionen. Oft diffundierte er in andere Genres hinein. Grace Slick von Jefferson Airplane, Nana Mouskouri, Shirley Bassey usw. versuchten sich daran. David Bowie sang mehrere Fassungen ein, von denen die mit Massive Attack wohl am weitesten vom Jazz-Original wegführt, und in meinen Ohren ist Aaron Nevilles Cover das bislang beste. Celine Dion legte im Bereich Pop eine superschöne, kraftvolle Performance des Klassikers von 1948 hin.

Kaum jemand hat das Lied aber wirklich fesselnd, spannend ausgelegt und der Nummer ihre Schnulzenhaftigkeit gebrochen, und ausgerechnet Candice Night gelingt dies jetzt auf einem ansonsten so ereignisschwachen Longplayer. Immerhin heißt es im Text "a magic day he passed my way", und von dieser Magie spürt man in anderen Versionen oft nichts, weil die Leute arienhaft laut werden, die Stelle achtlos übersingen oder ins Zuckrige verfallen. Die New Yorkerin interpretiert hier ganz taktvoll und vertieft. Auch das Streicher-Outfit kleidet den Song angemessen und elegant, ohne zu fett aufzutragen. Wir bewerten hier allerdings nicht das Format 'vorletzter Track', sondern die Kategorie 'ganzes Album'. Die 53-Jährige hätte in dieser Richtung etwas weniger Seichtes mehr aus ihrem dritten Solo-Werk machen können, sogar wenn sie die Middle Ages-Karte nicht ausspielt.

Trackliste

  1. 1. Sea Glass
  2. 2. Unsung Hero (She'll Never Tell)
  3. 3. The Line Between
  4. 4. Angel And Jezebel (Rock Version)
  5. 5. Promise Me
  6. 6. Dark Carnival
  7. 7. The Last Goodbye
  8. 8. When I Want To Fly
  9. 9. Another Day
  10. 10. Nature Boy
  11. 11. Angel And Jezebel (Back Porch Version)

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