laut.de-Kritik
Zwischen Songwritertum und freigeistigem Indiepop.
Review von Martin LeuteMit "Wit's End" und "Humor Risk" hat Cass McCombs 2011 zwei von der internationalen Musikpresse gefeierte Longplayer veröffentlicht, die den amerikanischen Songwriter als einen der besten und vielseitigsten seiner Zeit ausgewiesen haben. Mit seinem nun veröffentlichten Doppel-Album macht er sich auf, diesen Ruf zu bestätigen, ohne sich vereinnahmen zu lassen. Ganz im Gegenteil.
Der Kalifornier wandelt so selbstbewusst wie unaufdringlich zwischen den Genres Rock, Blues und Folk, taucht ein in den Country, spielt gekonnt mit Facetten aus Americana und Jazz und legt immer wieder ein Gespür für smarte Indiepop-Melodien an den Tag.
Dass er die Platte außerdem mit Audio-Schnipseln aus dem Film "Sean" (1969) von Ralph Arlyck bestückt hat, der den vierjährigen Sean aus ebenso naiver wie amüsanter Kindersicht über Drogen oder die Polizei referieren lässt, offenbart den verschmitzten Schelm, der in diesem Singer/Songwriter steckt. Konventionen und Normativität spielen in der Kinderwelt genauso wenig eine Rolle wie in der verspielten musikalischen Welt von "Big Wheels And Others".
"Big Wheel And Others" eröffnet mit dem dynamischen Country Stomp-Rocker "Big Wheel", dessen Dynamik nur noch von "Satan Is My Toy" übertroffen wird, in welchem harte Gitarrenriffs und flirrende Drums auf freejazzig tönendes Saxophonspiel treffen, das sich auch in Songs wie dem gespenstisch scheppernden "Joe Murder" findet. McCombs Affinität zum Jazz offenbart sich auch in dem mit einem lässigen Groove versehenen Instrumental "It Means A Lot To Know You Care" wieder.
Einen Hang zum Avantgardismus beweist er mit den epischen und mit dunklen Klangfarben durchzogenen Nummern "The Burning Of The Temple, 2012" oder dem neunminütigen "Everything Has To Be Just-So", das der von Vorurteilen durchsetzten Gesellschaft den Spiegel vorhält. Ob auf privater oder öffentlicher Ebene, lyrisch setzt sich der Musiker stets mit den Abgründen und Verletzlichkeiten des Menschen auseinander, mal humorvoll, mal schmerzlich direkt.
Seine größte Wirkung entfaltet Cass McCombs mit seinen im unaufdringlichen Gewand auftretenden Liedern. Die zwischen klassischem Singer/Songwritertum und Indiepop pendeln. Und davon gibt es reichlich. Dann rückt die Akustikgitarre ins Zentrum, die E-Gitarre wartet mit feinen Mustern auf und die Slide Gitarre bahnt sich sonnig-benommen ihren Weg zu Percussions, Basslinien und Klavierakkorden. Lieder wie "Dealing"und "Aeon Of Aquarius Blues" erinnern an die Sensibilität eines Elliott Smith, "Unearhted" schwelg traurig im reduziert vorgetragenen Blues, der sich an den Wurzeln des Genres orientiert.
Mit wunderbaren Midtempo-Nummern wie "Sooner Cheat Death Than Fool Love", "Honesty Is No Excuse" "Name Written In The Water" oder "Untitled Spain Song" bewegt sich McCombs gesanglich wie atmosphärisch lose zwischen dem geschätzten Lloyd Cole und dem frühen Badly Drawn Boy, freilich ohne seine eigene Individualität aufs Spiel zu setzen.
Will man einen Track der Platte hervorheben, dann muss man das melancholisch tänzelnde "Brighter!" erwähnen, das gleich in zwei Versionen zu hören ist. Während das Stück einmal von McCombs selbst intoniert wird, erfährt es durch den Gesang der erst kürzlich verstorbenen Schauspielerin Karen Black schließlich eine gänzlich ergreifende Note.
Cass McCombs untermauert mit diesem abwechslungsreichen Mammut-Werk, dass es sich bei ihm nach wie vor um einen der interessantesten zeitgenössischen Songwriter handelt. Für den Einsteiger in sein Schaffen mag dieses Album um einige Songs zu lang sein, zu unübersichtlich und zu sprunghaft, der Fan mag sich gerade an diesem Facettereichtum erfreuen. Wie auch immer, an der hohen Qualität Songs lässt sich ebenso wenig zweifeln wie an den freigeistigen Arrangements, die er mit locker angerauter Oberfläche inszeniert. Die musikalischen Filigranität geht hier Hand in Hand mit einer sachten Lo Fi-Attitüde und einer dezenten Melancholie, die das Album zu einer rundum gelungenen Sache machen. Hier gibt's noch vieles zu entdecken!
1 Kommentar mit 2 Antworten
hört sich interessant an, wenn ich vor jazz nicht so ne angst hätte ...
Keine Angst vor Jazz! Is wie Mathcore, nur ohne Stromgitarren...
hasse mathcore