laut.de-Kritik
Zwischen mädchenhaftem Gesang und dunkler Verruchtheit.
Review von Dani FrommDen Bogen für die richtige Provokation zur rechten Zeit hat Cecile seit jeher raus. Zum Einstand pisste sie mit ihrer Debüt-Single "Changez" einst erst einmal den Größen ihres Genres ans Bein, nur um ihnen wenig später mit der unverblümten Forderung "Do It To Me" die Betretenheit in die ach so maskulinen Gesichter zu treiben. Damen genießen in Testosteron-geschwängerten Dancehall-Gefilden eben immer noch Exotenstatus. Solche, die kein Blatt vor den Mund nehmen, gleich doppelt.
Ein loses Mundwerk allein hilft jedoch selten, in einer schnelllebigen Szene zu bestehen. Cecile bringt neben ihrer Furchtlosigkeit ein äußerst stabiles Ego und eine fast schon unverschämt facettenreiche Stimme mit. Mädchenhafter Gesang entschlüpft ihrer Kehle, aber auch dunkle Verruchtheit oder schnatterndes, am Zeilenende überschnappendes Chatting.
Dabei spricht das Selbstbewusstsein der Performance Bände: Hier weiß jemand um seine Fähigkeiten, weshalb der Eröffnungstune "Worth It" durchaus als Statement verstanden werden darf. Zwischen hohen, flötenden Tönen und dumpfen Bässen platziert Cecile die zuckersüßen Vocals des Chorus' und in ratternden Salven abgefeuerte Silben gleichermaßen mühelos.
Statt erbarmungslos auf die Zwölf zu dreschen, bedient sich Cecile subtilerer Methoden. Das soll keineswegs leichte Kost implizieren: "Hot Like We" oder der Remix zu "I'm Waiting", für den Shaggy seine Paraderolle als Mista Lovalova auffährt, stampfen überaus wuchtig voran.
Obschon Brachialgewalt oft die am verlässlichsten funktionierenden Dancehall-Tunes gebiert und Cecile diese Macht wohl zu nutzen versteht, setzt sie zudem auf Melodien und Inhalte. Dabei füllt "Bad Gyal" - ungewöhnlich für eine Veröffentlichung von Jamaika, wo man traditionell die 7" bevorzugt - das Format 'Album' bestens aus.
Gerade im Mittelteil, der sich musikalisch deutlich aus der Dancehall entfernt und in vollbassigen Reggae-Grooves und Spuren von Dub schwelgt, erzählt Cecile über mehrere Songs hinweg zusammenhängende Geschichten über Liebe, Treue, Sehnsucht und Geduld. Die Herren der Schöpfung kommen dabei bereits in den spöttischen "Was wäre wenn"-Gedankenexperimenten von "Girlfriend" nicht besonders gut weg.
Zur Bereicherung am Mikrofon taugen sie dagegen blendend: Sowohl Ziggi ("Oh Yeah") als auch ein wie gewöhnlich vor Energie schier berstender Bounty Killer ("Tonight") bringen Farbe ins Spiel. Cecile selbst fährt zu dicken Drums in "How You Love Me" ihr ganzes Klangfarbenspektrum auf und quert wieder und wieder nahezu unmerklich die an sich deutliche Grenze zwischen gefühlvollem Gesang und Toasting.
Tönt doch eigentlich nach einem ganz netten Mädchen, was man da so zu hören bekommt. Während ich noch die Wahl des Albumtitels in Zweifel ziehe, grinst mich aus dem Fell des Unschuldslammes schon wieder die ausgewachsene Wölfin an, die zum im gleichnamigen Riddim verwursteten Gitarrenriff aus "Wipe Out" von den Safaris Hintern und sonstige Goodies schüttelt und der Kollegin skrupellos den "Boyfriend" ausgespannt hat.
Den darf sie dann sogleich über eine augenfällige Diskrepanz aufklären: Fast alle Frauen tun es. Fast alle Männer glauben, sie würden es merken, sind aber gleichzeitig felsenfest davon überzeugt, ihnen sei es noch nie passiert. Seltsam? Seltsam! Zu "Faking" lässt sich wunderbar nachgrübeln, meine Herren. Der schlanke, ploppende Elektrobeat aus dem Hause South Rakkas dürfte kaum allzu sehr ablenken.
Ihren Geschlechtsgenossinnen dürfen sich ihren Rüffel direkt im Anschluss ebenfalls abholen. Mit dem doch arg kirmestechnolastigen Inevitable-Riddim, auf dem "Talk Talk" basiert, werde ich zwar in diesem Leben nicht mehr warm. In der Sache behält Cecile aber dennoch Recht: Manchmal empfiehlt es sich, einfach mal die Schnauze zu halten.
8 Kommentare
@laut.de (« Dabei füllt "Bad Gyal" - ungewöhnlich für eine Veröffentlichung von Jamaika, wo man traditionell die 7" bevorzugt - das Format 'Album' bestens aus. »):
äh...den satz versteh ich nicht.
was für ne 7?
7".
sieben-zoll-schallplatten.
singles, halt.
mp3-victim.
@Alex (« was? mp3-victims? ja, das sind die kleinen. »):
made my day