laut.de-Kritik
Thema: Familienidylle. Mittel: Abkupfern. Ziel: Schmachten.
Review von Michael SchuhFrisch gestylt und merklich unlocker lehnt Celine Dion auf dem Cover ihres neuen Albums an einem Baumstamm. Vermutlich soll er im Bild des Strandidylls einen rettenden Halt darstellen zwischen den Naturgewalten Luft, Wasser und Erde, wie ihn die Kanadierin nach der Erkrankung ihres Mannes auch im Privatleben benötigte. Auf ihre erste Autobiografie folgt dennoch der obligatorische Tonträger und nun liegt es am Hörer, sich schleunigst einen Rettungsring zu besorgen.
Denn nur damit vermag man sich freizuschwimmen in Dions flutenden Wellen von Hochglanz-Schmock und enervierenden Kieks-Arien. Bei "I Surrender" und "The Greatest Reward" schraubt sich der Seegang derart hoch, dass die Titanic mit Celine gleich nochmal untergegangen wäre. Das Thema: Vertontes Familienidyll, frisch gestylt und merklich unlocker. Mittel: Abkupfern oder bei sich selbst klauen. Ziel: Schmachten ohne Grenzen.
Der Opener ist schaler Disco Fox für den Senioren-Tanzabend und mit "Right In Front Of You" gibt es wieder den typischen Dion-Popsong (bei dem ein David Siegel am Keyboard sitzt). Namensvetter Ralph wäre einem dank des peinlichen Dance-Schlagers "Sorry For Love" aber auch so in den Sinn gekommen. Nicht einmal Mariah Carey hätte so einen Mumpitz eingesungen. Dafür erinnert die spanische Ballade "Aun Existe Amor" an deren "Hero".
Auch an die Jugend wird angedockt: "When The Wrong One Loves You Right" rekonstruiert in unverschämter Weise Britneys erfolgreiche Beat-Formel. Angereichert wird die Adaption mit polyphonen 80er Jahre-Synthiesounds. Gruselig. Als Fossil aus jenem Jahrzehnt tritt übrigens Corey Hart ("Sunglasses At Night") in Erscheinung, aus dessen Feder die Kinderhymne "Prayer" stammt. Merken tuts niemand. "Rain, Tax (It's Inevitable)" ist dagegen Destiny's Child pur. Ohne rot zu werden.
Lichtblicke? Trotz Sheryl Crow-Assoziation verbuche ich das leicht rockende (ähem) "Ten Days" auf der Habenseite. Mit so viel Schwung könnte sie den Baumstamm glatt umschubsen. Die Abkehr vom Heulsusentum gelingt auch dem R'n'B-Ohrwurm "Super Love". Single-Kandidat. Ziel des Ganzen ist natürlich wieder ein Millionenseller, denn der Spaß war teuer: die Streicher in Stockholm aufgenommen, die Songs in London und Paris, Gesang in Montreal und New York - verkauft werden soll es aber natürlich weltweit. Viel Spaß!
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