laut.de-Kritik
Die Becker-Faust im Anschlag.
Review von Franz MauererMit Musikern verhält es sich wie mit Comedians: Diejenigen, die unbedingt Spaß machen wollen, verkrampfen und versteigen sich oft. Vor diesem Hintergrund ist der andauernde Erfolg von Cheap Trick umso höher einzustufen. Der ewige Sleaze-Schweinerock der drei Illinoisans kreischt einen auch auf "All Washed Up" so unverändert begeistert an wie ein Labrador nach Feierabend. Es bleibt eben alles locker: Robin Zander hört sich für seine 72 Lenze sehr gut an, versucht aber auch nicht, 20 Jahre jünger zu wirken. Cheap Trick sind mit sich im Reinen, und das hört man.
"All Washed Up" macht mit seinem routinierten, aber nie einfach nur heruntergespielten Power-Pop-Rock durchgehend Spaß. Man muss nicht verliebt sein, um bei "The Best Thing" schon beim ersten Durchlauf die Augen zuzumachen und mit Becker-Faust im Anschlag mitzusingen.
Songs wie "Twelve Gates" und "The Riff That Won't Quit" zeigen, dass die Guided by Voices-Vergleiche stimmig sind. Rick Nielsen ist nach wie vor ein melodiöses Riffmonster, gerade "Twelve Gates" ist ein Genuss. Wie erwachsen die Kindsköpfe auch als Songwriter wurden, zeigen gleichwohl die freieren Songs, die keinem klaren Schema folgen. "Bet It All" ist eine schwankende, gefährliche Indierock-Perle. "Bad Blood" blüht zur Mitte auf und lässt seine angedeutete rockige Eintönigkeit hinter sich, um mal eben literweise durch die Arterien zu pumpen.
Beim Titeltrack und Opener geht es rauer und gleichermaßen schmissig zu, zumal die fuzzy Härte nicht aufgesetzt wirkt. Das schafft "Dancing With The Band", das zwischen Bassgewitter und Duran Duran oszilliert leider nicht, es leidet an akuter Blutarmut.
Am anderen Ende des Spektrums stehen Popsongs wie "The Best Thing" und "Love Gone". Ersterer ist die beim Trio übliche, kompetente Beatles-Verbeugung. Diese verlorene Liebe muss Zander live erst mal so auf die Bühne bringen: ein ewiges Stöhnen und Flehen auf verschiedenen Stufen. Ein komplizierter Song, der in den Strophen vollends überzeugt, dem vor lauter Schmachten aber immer mal wieder kurz die Luft ausgeht.
Ähnlich, wenngleich folkiger, gibt sich "A Long Way To Worcester". Als einziger Song entstand der Track mit externer Hilfe, mit den befreundeten Robert Reynolds, früher bei The Mavericks, sowie dem aktiven Maverick McFadden. Die eingängige Nummer kommt teils unglaublich suave und cool, nimmt ohne Not Spannung raus, findet sie dann aber auch schnell wieder.
Zu schunkelig fällt die Rockballade "All Wrong Long Gone" aus, es riecht kurz nach alten Herren. Der Closer "Wham Boom Bang" plätschert dann sympathisch, aber egal vor sich hin. Eine gute Gelegenheit, sich auf die gewohnt herzensguten Texte zu besinnen, die die Nummer zwar musikalisch ebenso wenig heben können wie die Klarinette – schön sind sie trotzdem: Auch das 21. Cheap Trick-Album ist gut angelegte Zeit.


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