laut.de-Kritik
Zwischen Dick Dale, Ricky King und ZZ Top ...
Review von Alexander CordasChris Rea scheint immer noch nicht genug zu haben. Obwohl er erst jüngst aufgrund seiner Bauchspeicheldrüsen-Erkrankung sein Karriereende angekündigt hat, kann Gitarrero nicht still stehen. Nach seinem Wahnsinnswerk "Blue Guitars" - mit sage und schreibe elf CDs - schüttelt er scheinbar mühelos 38 neue Songs aus dem Ärmel.
Das Konzept des Earbooks: Eine Hommage an die instrumentale Gitarrenmusik der 60er im Stile der Ventures, Shadows oder The Spotnicks. So soll es damals eine Formation namens The Delmonts gegeben haben (CD 1).
Diese fiktive Band kehrt nun als The Fabulous Hofner Blue Notes zurück (CD 2 und 3). Selbstredend mit Rea an der Klampfe nebst Robert Ahwai (Gitarre), Martin Ditcham (Schlagzeug), Neil Drinkwater (Keyboards) und Colin Hodgkinson (Bass).
Der Retro-Gedanke äußert sich außer in der Musik auf Teil eins noch im Vintage-Look des Buches, das im Inneren mit liebevoller Gestaltung und toller Fotos aufwartet. Neben den CD-Versionen beinhaltet das Paket die Songs auch noch auf schickem 10''-Vinyl. Wie bei den Blue Guitars gibt es also wieder jede Menge Value for money.
Der Delmonts-Ausflug in die Zeiten des Tanztees, Pettycoats und der Damenwahl dürfte aber nicht jedermanns Sache sein. Zu oft gebiert sich Rea als Freund des Muzak. Sicher, die Hommage an die deutschen Gitarrenbauer ist unterhaltsam, aber eher im Sinne eines augenzwinkernden Blickes in Richtung Vergangenheit.
So wirklich überzeugen können die Hofners (die ja eigentlich Höfners heißen müssten) nicht wirklich. Der Twang-Sound der Höfner-Gitarren klingt oft charmant. Dass der auch etwas engagierter durch die Gegend fetzen kann, beweisen Dick Dale und Co. zur Genüge. "Theme From The Pink Guitar" ist schließlich der Gipfel der Fahrstuhlmusik. Eine furchtbar nach Ricky King müffelnde Klamotte. Ganz schrecklich.
Anders verhält es sich mit dem Material der beiden anderen Discs, denn hier spinnt Chris das bluesige Konzept seines Spätwerkes, das weithin vom Pop-Ballast der Achtziger befreit ist, fort.
Schön abgehangene Kompositionen mit Bluesharp, gitarristischen Soloeskapaden und Reas unnachahmlicher Reibeisenstimme formen eigentlich genau das, was man vom Engländer erwarten durfte, denn der Unterschied zu seinen vorangegangenen Produktionen - sieht man von einigen Ausflügen in die Vorzeit des Blues auf "Blue Guitars" ab - ähneln dem Material der Hofner-Discs doch sehr.
Als Anspieltipp kann auf dem zweiten Schwarzling (die Scheiben sind im Vinyl-Outfit gestaltet) "Big Wave" mit seinem schönen rollenden Basslauf und einer fast schon ZZ Top-mäßig angehauenen Klampfe sowie der "Legacy Blues" herhalten.
Beide Tracks glänzen wieder mit Reas typischem jaulenden Bottleneck-Einlagen. Trotzdem rutschen ihm ab und an klischeegetränkte Spielereien wie "If I Keep My Faith In You" heraus, die weder im bluesigen Sinne dreckig, noch vom kompositorischen Aspekt her spannend klingen.
Dies gilt vor allem für den letzten Abschnitt des Packages. Klarinette, Streicher, Saxophon etc. akzentuieren weniger als dass sie dick auftragen. Negativ-Gipfel: "The Days I Spent With You" klingt wie eine vertonte Gutenachtgeschichte. Mit der mediterran angeschlagenen Mandoline reicht der Song nah an das heran, was in Teutonien unter Schlager firmiert.
Aber halt! Nicht, dass der Eindruck entstünde, Rea würde auf drei Alben nur Murks fabrizieren, denn davon ist er - zum Glück - weit entfernt. Aber den leisen Vorwurf, er würde seinen Output statt an Klasse an der Masse orientieren, den muss sich der Gitarrero doch gefallen lassen. Das Gesamtpaket der Hofner Bluenotes gefällt mit seinem ansprechenden Äußeren dennoch.
3 Kommentare
Ich glaube, das muss Bauchspeicheldrüsen-Erkrankung heißen.
denke ich auch.
Ich denke seit Tagen darüber nach, mir das Earbook zu ordern. Allerdings hindert mich noch eine kleine, aber nicht ganz unbedeutende Tatsache daran: ich besitze seit Jahren keinen Plattenspieler mehr.
Spätestens seit "Blue Guitars" hat Chris Rea bei mir alle (Narren)Freiheiten der Welt.
Und wie titelte der Herr Alex 2006 noch bei der DVD The Road To Hell And Back - The Farewell Tour: "Haltet diesen Mann davon ab, aufzuhören!"
Nach X-fachem Glotzen dieser DVD seit Erscheinungsdatum hab ich mir auch immer gewünscht, daß er weitermacht. Aber eher darauf gehofft, daß er mit ein paar Jungs im Gepäck mal hier mal da ganz ohne Stress in kleinen Clubs auftaucht und ein wenig die "Blue Guitars" jaulen lässt.
Und jetzt hat er schon wieder so ein dickes Paket geschnürt, um das ich wohl nicht herumkommen werde. Und um einen Plattenspieler vielleicht auch nicht.