laut.de-Kritik
Spießbürger werden mit dieser Band nicht glücklich.
Review von Olaf SchmidtMan darf es heute keinem mehr erzählen, wenn man nicht Hohn und Spott ertragen möchte, aber: ich mochte die ersten beiden Alben von Culcha Candela wirklich. Damals in den alten Tagen, bevor sie beschlossen, zur prototypischen Fitnessstudio-Band zu werden und Musik zu machen, so intelligent wie eine Hantelbank.
Das hat alles nur bedingt mit den Chupacabras aus Köln zu tun. Und doch fühle ich mich beim Hören ihrer neuen Scheiben hin und wieder an die Culchas erinnert. Das liegt in erster Linie am ähnlichen Musikmix und an den spanischen Texten. Die Chupacabras machen deutlich öfter davon Gebrauch, auf "Palante" gibt es weniger Deutsch zu hören.
Mit dem Titelsong legt das Album direkt gut los. Akkorden, Akustikgitarre auf den Offbeat, griffiger Beat - die Domstädter machen sofort klar, dass sie sich in der weiten Welt zu Hause fühlen. Mestizo und Hip Hop, musikalische Einflüsse aus aller Herren Länder, etwas Reggae, eine Prise Rock, da fühlen sich die Chupacabras wohl. "Gib mir Hip Hop, Dubstep oder Cumbia Electro / alles, was gut tut für mein Esqueleto", heißt es in "Mueve El Esqueleto". Der Song macht klar: Musikalische Spießbürger werden mit dieser Band nicht glücklich.
Die Ideen sprießen nur so, die Melodien ebenfalls. Trompeten- und Posaunensounds verschönern jeden Song, die Kölner fahren eine enorme Menge an Inspirationen auf. Weibliche Vocals ergänzen die Raps und Gesänge der drei Herren an den Mikros, ein echtes Plus der Chupacabras. Die angedrohten Dubstep-Elemente beschränken sich zum Glück auf zwei Songs, in die sie aber ganz gut passen: "Cada Día Más" mit starker Hip Hop-Schlagseite und das kürzere Instrumental "Reciclando".
Auch wenn das Album eine überwiegend fröhliche und tanzbare Atmosphäre erschafft, in "Cumbia Del Ilegal" geht es um ein ernstes Thema: um Flüchtlinge, die aus ihrer Heimat vertrieben werden und im Zufluchtsland auch nur auf Ablehnung stoßen. Melancholisch im Ton kommt "Declaración De Presencia" daher. Mein rudimentäres Spanisch-Verständnis stößt an Grenzen, aber der Bauch sagt: Ja, du hörst gerade ebenfalls ein ernstes Stück.
Leider hat sich auch ein ziemlicher Ausfall eingeschlichen. "Die Kuh Vom Eis" schlägt mit seiner Swing-Ausrichtung eigentich eine interessante musikalische Richtung ein. Aber der Text, hauptsächlich auf Deutsch, ist eine einzige Peinlichkeit. Verkrampft unlustig texten die Chupas Zeilen wie "Sie hat einen geilen Arsch / und Hüften wie wilde Sirenas". Sowas mag auf Spanisch funktionieren, im Deutschen klingt es einfach niveaulos. Die Reggaeton-Party-Nummer "Manos Arriba" im Anschluss wetzt diese Scharte aber sofort wieder aus. Die Bläser tönen fast ein wenig nach Balkan.
Schön mellow klingt das gelungene Album mit dem Instrumentalstück "Paso A Paso" aus. Einige gezupfte Akustikgitarren, zurückgelehnte Hip Hop-Beats und ein paar Wortsamples - mehr braucht man nicht. Ganz nebenbei erklärt der Song den Chupacabras-Neulingen, wo der Name herrührt: es handelt sich um ein lateinamerikanisches Fabelwesen, das Ziegen überfällt und ihnen das Blut aussaugt.
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