laut.de-Kritik
Ein grün-gelb-schwarzer Fleck auf der weißen Landkarte.
Review von Philipp KauseCidade Verde Sounds ist eigentlich kein origineller Bandname: Grüne-Siedlung-Sounds. Eher die Antwort auf Cidade Negra, Brasiliens Reggae-Pioniere der '80er. Wo sich seither das meiste Roots-Geschehen des riesigen Landes im Nordosten abspielte, färben Cidade Verde Sounds die südlich im Landesinneren gelegene Stadt Maringá, 180 Kilometer von der Grenze zu Paraguay gelegen, jamaikanisch grün-gelb-schwarz in einem ansonsten großen weißen Fleck auf der Karte des Planeten Reggae. "Flores E Raízes" ist das achte Album des Duos.
"Meu Escudo" schöpft aus der mannigfaltigen Tradition des portugiesischsprachigen Staats und fasst jenes Schwermut-Fernweh-Nostalgie-Gemisch namens 'Saúdade' in Töne: Funky Ska-Bläser zieren eine Zitate-Kreuzung aus Música Popular Brasileira, psychedelischem Pop und One Drop-Beat. Hier kann man schon ein wenig Gilberto Gil und Daniela Mercury heraushören.
Cidade Verde Sounds waren seit ihrer Gründung 2005 immer zugleich ein Hip Hop-Gespann aus MC (Guilherme Adonai) und Beatmaker (Paolo Dub Mastor). Diese Herkunft macht sich jetzt erheblich stärker bemerkbar als auf dem letzten, rein akustischen Album "Acústico" (2018). Bei "Do Nosso Lado" konfrontiert eine Milleniums-Drummaschine den kehligen Gangsta-Rap-Vortragsstil. Dazu pluckert die düstere Repetition eines Spieluhr-artigen Riddims der Klingelton-Ära. Moderner und ebenfalls finster hört sich der Hip Hop in "Nada Vai Nas Parar" an.
Das mp3-Album zeigt indes auch eine heitere Seite: "Ela Mexe Comigo" signalisiert lässige Lebensfreude. Im Video räkeln sich zahlreiche bauchfrei gekleidete, junge Frauen. In ihrer Mitte schlendert Frontmann Adonai in maximaler Coolness. An anderer Stelle wie in den diffuser produzierten Tunes "Leve", "Dia Lindo" oder "Flores" fehlt dann die Spontaneität, und der Sound wirkt wie ein Reißbrett-Remix-Produkt. Nachvollziehbar, denn das Duo existiert zwar seit 2005, hat aber eher wenig Erfahrung mit Live-Performances gesammelt.
Gleichwohl hat die Formation bereits runde Resultate abgeliefert. Wer den enthaltenen Rap-Vibe in "Cavalo De Tróia" mag, findet in dem frühen Werk "Reggae Presidente" (2011) einen Haufen mindestens ebenbürtige Tracks, und auch im Mixtape "Umdo 12" (2017), wo sich Oldschool-Hip Hop mit etwas Stepper's Style paart. Wer auf Roots mit einer Prise Raggamuffin steht, kommt in "Missão De Paz" (2013) irgendwo in der Stilregion zwischen Jah Mason, Junior Kelly und Turbulence auf seine Kosten. Richtig deep 'Foundation'-orientiert gehts beim nostalgischen "In Jamaica Project" (2015) aus den Tuff Gong-Studios zur Sache.
All diese Bestandteile graben sich in "Flores E Raízes" ein. So zeigt sich das Album als ihr bisher vielseitigstes. Überhört man die verkopfte Anbiederungen an ein vermeintlich jamaikanisches Lebensgefühl, wartet eine unterhaltsame Platte. Weitere Anspieltipps: die ersten beiden Nummern ("Cavalo De Tróia", "Roda Gigante") sowie die vorletzte ("Cheirosa").
Reggae und Hip Hop kombinieren insgesamt nicht allzu viele Artists, trotz Klassikern wie "Welcome To Jamrock" oder Snoop Lions "Reincarnated". An der Entwicklung der deutschen Musik von Jan Delay, Seeed, Peter Fox, Nosliw, Maxim, Benjie oder der französischen von Dub Inc lässt sich aber ablesen, dass es einen Markt dafür gibt. Den kann man Guilherme und Paolo nur von Herzen wünschen.
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