laut.de-Kritik

Musik aus einer anderen Galaxie? Klingt genauso wie Zuhause.

Review von

Wer im Vinyl-Booklet von "Everyday Life" ganz genau hinschaute, bekam einen unfreiwilligen Blick in die Zukunft. Bereits 2019 versteckten Coldplay Hinweise auf ihr neuntes Studioalbum "Music Of The Spheres" in den Tiefen des Zusatzmaterials seines Vorgängers. Ob diejenigen, die damals schon eine grobe Vorahnung hatten, sich wohl auch erträumten, worauf es jetzt am Ende wirklich hinausgelaufen ist?

Coldplay wandern schon seit geraumer Zeit immer wieder in Richtung Mainstream, das ist kein Geheimnis. "Music Of The Spheres" ist allerdings nicht mehr nur Annäherung an Pop, sondern der Inbegriff des Genres. Es ist keine Musik aus einer anderen Galaxie, so wie es die Band selbst vermarktet. Vielmehr ist Coldplays neuester Output die Personifizierung der irdischen Musik im Hier und Jetzt.

In dieser Hinsicht überrascht es nicht, dass die Briten sowohl "Higher Power" als auch das BTS-Feature "My Universe" als Singleauskopplungen wählten. Keiner der anderen Songs verkörpert das Verlangen nach Radio-Spielzeit so gut wie diese beiden Streaminggiganten, die wie das gesamte Album vom schwedischen Hitgaranten Max Martin co-produziert wurden. Während man es hier natürlich mit extrem leichter Kost zu tun hat, kann man mit beiden Tracks und ihren leichten Ohrwurm-Arrangements dennoch Spaß haben, sofern man das Gehirn dabei weitestgehend ausschaltet.

Zwischen den beiden Releases schlich sich mit "Coloratura" hingegen ein weiterer Titel ein, der im Vergleich mit den Synthbombarden und eingängigen Grooves seiner Nachbarn völlig aus der Reihe tanzte. Diese Tatsache war überraschend und frustrierend zugleich. Überraschend, weil er in Form eines zehnminütigen Prog-Pop-Monsters die absolute Glanzstunde der Platte bildet. Frustrierend, weil er als Closing-Track am Ende des Albums versteckt ist und dort ziemlich für sich alleine steht. Schließlich vereint der meisterhaft konstruierte Song mit Highlights wie dem anderweitig meist abstinenten emotionalen Gesang, einem illustren Gitarrensolo, rührenden Piano-Passagen und anspruchsvollem Songwriting nahezu alle herausragenden Elemente, die Chris Martin und Co. in ihren besten Momenten in sich haben, aber an keiner anderen Stelle auf der LP auch nur ansatzweise in diesem Ausmaß zeigen.

Gerade die fünf "Emoji-Songs", die im Vorlauf der Veröffentlichung für viele Fragezeichen, aber auch Neugierde sorgten, fallen zum Großteil in genau diese Kategorie des verschwendeten Potentials. Man kommt nicht um den Gedanken herum, dass der Drang nach Aufmerksamkeit und Coolness während der Konzeption eine wichtigere Rolle als der eigentliche Inhalt spielte.

Lediglich "Human Heart" entwickelt sich in Zusammenarbeit mit dem R'n'B-Duo We Are King und dem Londoner Jazz-Genie Jacob Collier zu einem mächtigen Acapella-Harmoniefeuerwerk, das die Kraft der menschlichen Stimme in all ihren Formen feiert. "Music Of The Spheres I" (Planet-Emoji), "Alien Choir" (Funkeln-Emoji) und "Music Of The Spheres II" (Erde-Emoji) dienen hingegen eher als größtenteils vergessliche Ambient-Interludes, deren Nutzen an erster Stelle im Übergang zu den jeweils nachfolgenden, vollwertigen Titel liegt. Auch das instrumentale "Infinity Sign" fungiert mit knapp vier Minuten Laufzeit hauptsächlich als spannungsaufbauender Vorbote für "Coloratura". Wäre da jedoch nicht der allseits bekannte "Olé, olé, olé / olé, olé, olé" Stadion-Chor, könnte der Song so viel mehr sein, was er auch unter Beweis stellt, sobald die Stadionrufe die ansonsten himmlische Atmosphäre des Klangbilds verlassen.

Der Rest der Platte treibt die Space-Thematik wenig überraschend weiter voran. Wie bereits zuvor reicht die Qualität einmal mehr von akzeptablen Tracks bis hin zu enttäuschender Resteverwertung. "Humankind" ist eine moderne, mitreißende und tanzbare Euphoriehymne, "Let Somebody Go" offenbart jedoch sofort wieder ein anderes Bild. Was zusammen mit Selena Gomez als gefühlvolles Duett einschlagen soll, bleibt aufgrund emotionaler Leere und generischen Songwritings als eine der schwächsten Coldplay-Balladen in Erinnerung. Der einzige Song mit leichten Rock-Tendenzen, "People Of The Pride", beginnt wiederum mit einem intensiven Bläser-Intro, das Spannung aufbaut und etwas Episches erwarten lässt, nur um im Anschluss als klägliches Rip-Off von Muses "Uprising" und Tame Impalas "Elephant" zu verenden.

Letztendlich hat "Music Of The Spheres" vor allem ein großes Problem: Es will unbedingt ein Konzeptalbum sein, hat aber keine Ahnung, welches Konzept es überhaupt verfolgen will. Nach außen hin scheint die Weltraum-Thematik dies zu leisten. Ohne jeglichen lyrischen Tiefgang und originelle musikalische Ambitionen im Kern, entsteht allerdings vielmehr ein wirres Durcheinander, das ein Gefühl von Unvollständigkeit vermittelt. Selbst nach mehreren Durchgängen macht die Platte den Eindruck, dass man es hier eher mit einer EP oder einem "Vol. 1" zu tun hat.

"Music Of The Spheres" ist allerdings nicht per se schlecht, es steht sich nur dahingehend selbst im Weg, dass jede vermeidliche Stärke auch gleichzeitig eine Schwäche offenlegt. Es ist hochwertig produziert, jedoch mit so einem durchtriebenen Grad an Perfektion und Formelhaftigkeit, dass es schon wieder aalglatt und ohne Persönlichkeit vor sich hintreibt. Es liefert mit "Coloratura" einen Song, dessen Brillanz jedem Coldplay-Fan und Nicht-Fan sofort in Auge springt, nur um dann das hohe Niveau, das offensichtlich in Coldplay steckt, nirgends erneut aufzugreifen. Insgesamt weckt das Projekt Erwartungen, nur um einen immer wieder fallen zu lassen.

So kreiert das Quartett nach über 20 Jahren Bandgeschichte mit "Music Of The Spheres" weniger Must-Have-Momente als jemals zuvor. Es entsteht eine weitestgehend vergessliche Space-Odyssee, die versucht, es jedem recht machen und gleichzeitig aus der Reihe zu tanzen. Dieser erzwungene Kontrast bezweckt jedoch vor allem, dass es wohl die wenigsten stören würde, wenn das Album nur irgendwo in einer weit entfernten Galaxie zu hören wäre.

Trackliste

  1. 1. Music Of The Spheres I
  2. 2. Higher Power
  3. 3. Humankind
  4. 4. Alien Choir
  5. 5. Let Somebody Go
  6. 6. Human Heart
  7. 7. People Of The Pride
  8. 8. Biutyful
  9. 9. Music Of The Spheres II
  10. 10. My Universe
  11. 11. Infinity Sign
  12. 12. Coloratura

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16 Kommentare mit 45 Antworten

    • Vor 3 Jahren

      Schwingo, mache mir langsam Sorgen um dich, weil du hier so häufig erbrechende Smileys postest :(
      Vielleicht solltest du mal einen Gastroenterologen aufsuchen oder deine Ernährung umstellen, hm?
      xoxo

    • Vor 3 Jahren

      Check du erstmal deine Ohren

    • Vor 3 Jahren

      Ok Schwingo, vielleicht können wir ja dann gemeinsam in eine Gemeinschaftspraxis gehen, wo HNO und Gastroenterologie gemeinsame Sache machen?

    • Vor 3 Jahren

      Ganz schwach R9, jeder weiß, dass selbst eine Darmspiegelung Coldplay vorzuziehen ist.

    • Vor 3 Jahren

      Bist ja nur neidisch Wiesli, weil die Idee mit dem gemeinsamen Arztbesuch dir nicht eingefallen ist.

    • Vor 3 Jahren

      Was Gleepi sagt.
      Wir hätten dich ja mitgenommen, wenn du brav gefragt hättest aber aufgrund deines Coldplay-Bashings gehe ich jetzt mit Schwingo alleine, das haste nun davon!

    • Vor 3 Jahren

      R9 ganz klar ein Opfer von Wahnvorstellungen

    • Vor 3 Jahren

      Sollte dann nicht doch ich mit ihm gehen?

    • Vor 3 Jahren

      R9 ist prinzipiell ein Opfer, jemand der sagt Coldplay wären unhatebar hat offensichtlich die Kontrolle über sein Leben verloren.

    • Vor 3 Jahren

      Lasst ma radioheadi in Ruhe jetzt, der hat halt jenen Sinn für stadiontauglichen Rampensau-Pop im Softie-Sweater, welchen andere user hier ganz gerne mal mit ihrer unkritischen Vorliebe für verkaufsträchtige Formatradio-Kacke aus dem Cashflow-Genre verwechseln.

      Schnittmengen in dem Bereich sind indes bekannt wie multiple boardinterne Profilierungsversuche via Multigenre-Belesenheit seit 2010, pois.

    • Vor 3 Jahren

      bruder wen du willst keine gelder ausgebe für fraue dan sage das du bist coldplay fanboi schwore bei murat hat funktionier keine probleme mehr

    • Vor 3 Jahren

      Souli, danke für die Rückendeckung aber die brauche ich natürlich gar nicht, ich mache mich nur etwas über Leute lustig, die sich krampfhaft über ihren nischigen Musikgeschmack definieren und immer dann Schnappatmung kriegen, wenn jemand nur entfernt annehmen könnte, dass sie einen kommerziell erfolgreichen Act feiern. Aber danke für "Rampensau-Pop im Softie-Sweater", das gefällt mir, grüße gehen selbstredend raus :)

      Cronauer, keine Ahnung wer du bist, prinzipiell einer der unwichtigsten Nebencharaktere des laut-Kosmos oder ziemlich prinzipiell viel wahrscheinlicher ein Fünftaccount (ich bin ja weiterhin überzeugt, dass das hier eigentlich nur knapp 10 Personen sind mit zu viel Zeit und zahlreichen Accounts, ich hatte immer nur diesen einen hier, ma feststellen) aber diese "wer xyz hört, hat die Kontrolle über sein Leben verloren"-Sprüche waren ganz prinzipiell bereits seit Jahren urlame und sind oberprinzipiell das Sprüche-Äquivalent zu Bier ohne Kohlensäure, das seit fünf Stunden in der prallen Hitze versauert.

  • Vor 3 Jahren

    Das Album hier ist genau das Gegenteil von dem, was die Band "Starset" mit dem Album "Horizons" (22.10.) liefern wird. Weiß man schon nach den ersten Singles. Die liefern einfach immer ab.
    Daran sollten sich Coldplay wirklich ein Beispiel nehmen ????
    Vorallem was Interludes und Spacetheme angeht! (alleine das Outro von "Everglow" vom Album "Vessels" ist so dermaßen episch und filmreif...)
    Klar Starset sind mehr Rock/Metal.

    Unbedingt mal reinhören @Laut! =)

    • Vor 3 Jahren

      Hab reingehört. Überzeugt mich jetzt auch nicht wahnsinnig gross. Und hat vor allem sehr wenig mit Coldplay zu tun.

    • Vor 3 Jahren

      netter self-promo versuch, kollege

    • Vor 3 Jahren

      Danke für den „Tipp“. Ziemlich belangloser Rotz, der zwei Tracks lang „haha, harter Meddel mit Elektrotrash-Synthies“ - mässig funktioniert und ab dem dritten Stück langweilt. Album war ne verzichtbare Tortur, aber at least kenne ich wieder eine Band mehr, die als Vorbild für „wenn nur so, dann lieber gar nicht“ dient. Kann ja nicht forever I See Stars sein, die dafür herhalten müssen…

    • Vor 3 Jahren

      Dann erkläre mir doch mal bitte, was genau daran jetzt schlecht ist und welche Band deiner Meinung nach es wert ist mal reinzuhören? Ist nie als hardcoreband deklariert, bewusst sehr melodisch, die etwas härteren Parts (Breaks wie in Telekinetic oder Devolution) bewusst gewählt und nicht auf Teufel komm raus nur Geschreie weil mans "kann".
      Alle Instrumente und elektronischen Klänge bewusst gewählt. Wie sollen sie es denn sonst machen? Gute Melodien sind gute Melodien egal wie krampfhaft Leute versuchen das schlecht zu reden und auf "rebellisch" zu tun. Genau darauf bauen sie auf. Nicht auf sinnloses hart Getue. Ist ja bei Three Days Grace/Breaking Benjamin auch so z.B. und da reihen sie sich mittlerweile ein.
      Coldplay hatte halt auch mal geile Melodien, hatte... Machen jetzt auf Pseudo Space und darum fiel mir Starset ein.
      Tschuldige die Empfehlung. Hör das weiter was du hörst, was ich sicher genau so zerreißen würde ????
      War halt nur nett gemeint aber das kammste bei dieser Community knicken. Alles irgendwelche Möchtegern Rebellen.

  • Vor 3 Jahren

    Als Coldplayfan erster Stunde habe ich dieses Album mir natürlich sofort zu Gemüte geschlagen. Coloratura, My Universe und Higher Power waren mir als Vorbote natürlich bereits bekannt und vor allem Coloratura hat mich hoffen lassen.

    Leider bin ich wirklich massiv enttäuscht. Es ist meiner Meinung nach das mit Abstand schlechteste und poppigste Album ihrer Bandgeschichte. Das ganze Album wirkt extrem gezwungen. Man hat den Eindruck Coldplay möchten mit aller Gewalt in den Popkosmos eindringen und vor allem unter den Teenagern neue Fans suchen.
    Die Songs wirken austauschbar, es fehlt zuweilen der typische Coldplaysound und die Songs sind teilweise auch massiv überladen mit Klängen.

    Wie schon der Autor schrieb ist Coloratura die absolute Ausnahme. Dieser Song gehört definitiv zu den besten Songs der Bandgeschichte. Da passt einfach alles - kurzweilige und abwechslungsreiche 10min, bei denen Gesang, Pianosolos und Gitarrenarangements toll und liebevoll sich abwechseln und dem Song eine ganz besondere Note geben. Ein nie dagewesenes Meisterwerk von Coldplay, der für mich den Rest des Albums vergessen lässt.

    Ansonsten fällt das Album vor allem im Vergleich zum starken Vorgänger deutlich ab und ist am ehesten vergleichbar mit den ebenfalls sehr poppigen Alben "A Head full of dreams" und "Mylo Xyloto" . Nur aufgrund von Coloratura erreicht das Album bei mir noch 2 Sterne.

  • Vor 3 Jahren

    Es ist wirklich traurig, dass Coldplay so eine miese Platte veröffentlicht haben. Ich mag die Musik der Band grundsätzlich sehr gerne. Das die ersten beiden Alben absolute Juwelen sind, braucht wohl nicht diskutiert werden. Aber ich konnte auch den nachfolgenden Alben durchaus etwas abgewinnen. A head fulll of stars, ging mir aber auch schon ziemlich auf den Keks. Music of the Spheres wäre einfach nur lächerlich, wenn es nicht so traurig wäre.

  • Vor 3 Jahren

    Hätte auch etwas mehr erwartet von dem neuen Album - mal schauen ob das 2022 Live-Konzert genauso geil wird, wie in Hannover vor 7 Jahren. The Show must go on - hoffentlich !

  • Vor 2 Jahren

    Komisch diese negativen Bewertungen zu lesen. MOTS ist das erste Coldplay Album das ich mag.

    • Vor 2 Jahren

      Stehst du auf Chartsmuppetskitsch?

    • Vor 2 Jahren

      Fragte der Dream Theater-Fan.

    • Vor 2 Jahren

      Da hinkt der Vergleich aber gewaltig.

    • Vor einem Jahr

      Die Platte hasst oder liebt man. Hier im Forum sind es ca 99% hater. Andere Plattformen:
      NME vom 15.10.21 5 von 5
      Rolling stone 3 von 5
      Amazon global (4822 Bewertungen) 76% 5 von 5.

      Live and let live. Peace and understanding

    • Vor 2 Monaten

      Lex_Purple - Fans von Popmusik werden mit Sicherheit ihre Freude haben.
      Auf den Coldplayseiten treiben sich allerdings immer noch viele Fans der ersten beiden Alben herum, die dann bei jedem neuen Album ihrer Enttäuschung freien Lauf lassen.
      Coldplay sind weg vom klassischen alternativen Indierock der ersten Jahre, das sollte eigentlich jedem klar sein. Sie sind eine Popband mittlerweile