laut.de-Kritik
Sparlampen statt Flutlicht im Emopunk-Stadion.
Review von Matthias MantheEs gibt Platten, die brauchen Zeit zum Wachsen, müssen in unterschiedlichen Situationen gehört werden, legen mit jedem Abspielen neue Fährten hinein in die Musik, denen es zu folgen gilt. Und es gibt Platten, die unmittelbar klarstellen: Mehr kommt da nicht, das wars. Hope you liked it. Oft kann diese Frage mit einem eifrigen Nicken quittiert werden: Exemplarisch seien die Berliner Hitfabrik Beatsteaks und die weniger bekannten Emo-Initiatoren Far genannt, die das Prinzip eingängiger und immer wieder gern gehörter Popsongs verinnerlicht haben.
Wenn aber, wie im Fall Colourful Grey, sowohl der doppelte Boden als auch Ohrwurmtauglichkeit über weite Strecken Verlust gehen, bleibt die Gefallensfrage besser ungestellt. Dabei orientiert sich der melancholische Emopunk des Frankfurter Quintetts deutlich an genannten Vorbildern: Die treibende Halbballade "Decision To Stay" zitiert Jonah Matrangas alte Wirkungsstätte Far, der handclappende Stakkato-Rocker "Till Death Do Us Apart" wirkt wie ein "Smack Smash"-Demo vor der abschließenden Qualitätskontrolle. Allzeit bleiben die Lehrmeister unerreichbar am Horizont. Ausnahme: Dem hymnischen Donots-Tribut "This World" gelingt es nicht, das Original zu unterbieten.
Obwohl Colourful Grey mit reichlich Finetuning (Synthies, Klavier, eine Mandoline) den songwriterischen Kreativitätsmangel auszugleichen suchen, herrscht statt des im Bandnamen proklamierten Farbenreichtums graues Einerlei zwischen den Polen Schnell und Langsam, Punkrock und Emoballade. Der instrumentale Einstieg in "The Spirit Of Green" macht Lust auf mehr, doch dann intoniert Sänger Philipp Lemhöfer mit einem Organ, dünn wie Crepes, Klischee triefende Zeilen à la "I do not feel at home" und treibt mir vor Fremdscham die Röte ins Gesicht.
Im Booklet wirft er sich in Pose, versucht den Hochmut eines Sam Endicott nachzustellen – und hat dabei mehr von einem schwulen Flamingo mit Darmverschluss. Lyrische Selbstüberhebung noch einmal gen Ende, wenn sich die Neulinge plötzlich auf dem Ruhmesolymp wähnen und fragen, wo man denn eigentlich letzte Nacht geschlafen hat. Alles klar, Jungs. Nur die hanebüchene Langenscheidt-Akrobatik "I will stand by you through thick and thin, girl" ("A Long Time Short") toppt diese Einfalt noch.
Dennoch erstrahlt im Land der einsamen Kicker auch ein einsamer Flutlichtmoment: "Caroline" zeigt nach über einer halben Stunde endlich, dass Colourful Grey Leidenschaft und Dramatik nicht gänzlich fremd sind, kann den Gesamteindruck jedoch nicht mehr retten. Der ist nicht schlecht im Wortsinne, aber die Melodien verbraucht und die Spannung mehr konkav als konvex gebogen. Die größte Kreativleistung auf "Songs For Solitary Soccer Stars" liegt in der dreifachen Alliteration im Titel, weshalb die Halbwertszeit höchstens bis zum nächsten Spieltag reicht.
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