laut.de-Kritik
So trve, dass es fast fake wirkt.
Review von Giuliano BenassiOhne Vorkenntnisse könnten man meinen, dass es sich bei Colter Wall um einen Zeitgenossen des grandiosen, aber wenig bekannten Bob Frank handelt, der auf den durchaus bekannten Willie Nelson macht. Dem ist nicht so - sein Debüt hat der Country-Sänger 2017 gegeben, dazu stammt er nicht einmal aus dem Süden der USA, sondern aus Kanada. Nun, bei der Veröffentlichung seines vorliegenden dritten Albums, ist er gerade mal 25 Jahre alt.
Immerhin hat es Wall in Texas aufgenommen, in einem Studio in der Nähe von Austin. Mit seiner Band während einer Tourpause entstanden, nahm er sich Songs zum Thema "Cowboys" an, sowohl aus eigener Feder als auch Covers. Darunter Stan Jones' "Cowpoke" von 1951, dem sich im Laufe der Jahre auch schon Hank Williams, Jr. oder Glen Campbell angenommen haben. "High And Mighty" (1975) stammt vom Rodeo-Reiter, Dichter und Sänger (was für eine Kombination!) Lewis Martin Pederson III, der wie Wall aus der kanadischen Provinz Saskatchewan kommt. "Big Iron" ist ein Klassiker von Marty Robbins aus dem Jahr 1960, "I Ride An Old Paint" ein Traditional, das unter vielen anderen Johnny Cash 1965 auf seinem Album mit dem passenden Titel "Sings The Ballads Of The True West" interpretierte. Das weitere Traditional "Diamond Joe" gibt es auch schon in unzähligen Versionen, unter anderen von Ramblin' Jack Elliott und Bob Dylan.
Dass die eigenen Stücke nicht als Fremdmaterial wirken, zeugt von Walls Songwriter-Fähigkeiten. Im letzten Stück gelingt es ihm sogar, sein Leben als Musiker on the road mit dem eines Cowboys zu verknüpfen: "I seldom pay a cent for my drinks / The folks in here tonight think I'm a king", singt er, dennoch würde er das alles gerne gegen einen ordentlichen Sattel tauschen.
Auch diesmal klingt Wall wesentlich älter und erfahrener, als er tatsächlich ist. Mit seiner unironischen, tiefen Stimme nimmt man ihm die Geschichten von harten Zeiten in der Prairie durchaus ab, zumal ihn seine Band unaufdringlich, aber verspielt unterstützt. Zu Patrick Lyons (Pedal Steel, Dobro, Mandoline), Jake Groves (Mundharmonika), Jason Simpson (Bass) und Aaron Goodrich (Schlagzeug) gesellen sich die lokalen Musiker Emily Gimble (Klavier) und Doug Moreland (Fiddle). Die Regie übernahm Wall diesmal selbst und klingt vermutlich auch nicht anders, als hätte Rick Rubin an den Reglern gestanden.
Der umtriebige Produzent hatte ihn 2016 fast unter Vertrag genommen. Dass Wall mittlerweile beim kleinen Label La Honda gelandet ist, wirkt sich auf seine Musik nicht negativ aus. "Diese Lieder sind schlagkräftiger als ich" erkennt Wall zwar, der als Sohn eines Politikers (sein Vater war 2007 bis 2018 Premierminister von Saskatchewan) eine wohl eher bürgerliche Jugend erlebt hat. Dennoch fühlt man sich tatsächlich zurückversetzt in eine (fiktive) Zeit, in der Männer noch Männer waren. So trve, dass es fast schon fake wirkt.
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