laut.de-Kritik
Melodietrunkener Folkrock aus Frankreich.
Review von Michael SchuhDass ich für Frankreich als Land und als Heimstatt verschiedenster Musiker eine Vorliebe pflege, ist in der Redaktion bekannt, weshalb man mich in schöner Regelmäßigkeit liebevoll mit entsprechenden CDs umsorgt. Doch auch der Unvoreingenommene müsste inzwischen zugeben, dass es im Frankreich der gesetzlich geregelten Musikquote gar keine Höchststrafe wäre, einmal das Radio einzuschalten.
Wo bei uns von Westernhagen bis Sarah Connor Banalität regiert, rotieren im Nachbarland Songs des verrückten Funk-Rockers M und der Indieband Mickey 3D im Radio, während Grand Dames wie Jane Birkin oder Francoise Hardy (die gerade ein neues Album veröffentlicht) Pate für die neue Generation stehen, der Keren Ann und eben Coralie Clément angehören. Wohl dem, der im Grenzgebiet wohnt.
Auch Cléments neues Album ist ähnlich dem jüngsten Werk Keren Anns ein melancholisches Folkrock-Fest fernab von typisch französischer Leichtigkeit geworden. Dabei dürfen beide Künstlerinnen nicht nur auf die kompositorische Unterstützung Benjamin Biolays zählen, sie klingen neuerdings auch weitaus internationaler. Zwar singt Clément im Gegensatz zu Ann noch durchweg in ihrer Muttersprache, den leicht verdaulichen Bossanova-Pop ihres erfolgreichen Debütalbums hat sie im Tausch gegen sparsam instrumentierte und nicht selten düstere Rocksongs weitgehend hinter sich gelassen.
Nach der beinahe offensiven Eröffnung "Indécise" mit säumenden Mariachi-Bläsern wagt sich Clément in "Gloria" stimmlich steile Gletscherhöhen hinauf, Flötentöne und eine gurrende Slide-Gutarre als einzige Begleiter. Die charmante, französische Nonchalance transportiert ihre variationsreiche Stimme, die sich den melodietrunkenen Biolay'schen Pop-Collagen zart anschmiegt und im Stadium leisen Flüsterns auch mal an Bardots Schmachten erinnert.
"Un Beau Jour Pour Mourir" atmet den frühen, unbeschwerten Cardigans-Geist, und mit den Songs "Kids (Jeu Du Foulard)" und "Ta Révérence" versammelt Clément zudem zwei matt strahlende Indie-Hits auf ihrem Werk. Auch das Duett "Mais Pourtant" mit Nada Surf-Basser Daniel Lorca, der die Französin in ihrem Wunsch nach einer stilistischen Veränderung bestärkte, könnte als Single erscheinen. Dies ist umso verwunderlicher, da "Bye Bye Beauté" ebenso wie Keren Anns "Not Going Anywhere" eigentlich als Album korrelierender Songs funktioniert und dabei ein intensives Hörerlebnis erlaubt, das wohl selbst französische Radiomacher nur schwerlich abbilden können. Erhaben!
1 Kommentar
Das Album ist super, das ist auch das Rockigste, wenn mann überhaupt dieses Wort benutzen will, denn das bleibt trotzdem soft. Übrigens, die neueste Platte, "Toystore" ist auch gut geworden, nur wieder viel Poppiger, da hat bruder Benjamin wieder alles geschrieben, und ein Easy-listening Sound durchgesetzt.