laut.de-Kritik
Halb Cracker, halb Camper Van Beethoven.
Review von Giuliano BenassiTausendsassa David Lowery hat in den letzten Jahren viel um die Ohren gehabt: Gleichzeitige Auftritte mit seinen Combos Camper Van Beethoven und Cracker, die Gründung eines Labels, die Produktion anderer Bands und die Fortführung des Streites mit dem Ex-Label Virgin/EMI. Neben der Neuaufnahme alter Stücke, um ein Best-Of Projekt des anderen Lagers zu torpedieren, blieb also wenig Zeit, um neue Lieder zu schreiben und aufzunehmen.
Dennoch liegt jetzt mit "Greenland" das erste Album mit neuem Material seit "Forever" (2001) vor. Fünf Jahre, die ihre Spuren hinterlassen haben: Orientierten sich Cracker eher an Folk- bzw. Country-Rock, tobte Lowery bei Camper Van Beethoven den Prog- und Independent-Rocker in sich aus. Eine Unterscheidung, die beim Opener noch gilt, denn "Something You Ain't Got" kommt mit Akustik- und Slide-Gitarre daher. Lowerys Organ vibriert tief und angenehm, begleitet von einer Frauenstimme. "Maggie" führt die melancholische Stimmung fort, doch kommen schon E-Gitarren und Verzerrer zum Einsatz. Spätestens mit "Where Have Those Days Gone" ist klar: Dieses Album ist wesentlich rockiger als seine Vorgänger.
So erinnert "The Riverside" nicht nur des Titels wegen an einen ausgelassenen Bruce Springsteen mit seiner E-Street Band, während "Sidi Ifni" Erinnerungen an Pink Floyd weckt. "Minotaur" besteht aus verschiedenen Abschnitten, die sich stark voneinander unterscheiden, andere Stücke könnten dagegen problemlos in einen Saloon passen, etwa "I'm So Glad She Ain't Never Coming Back" oder das abschließende "Darling We're Out Of Time".
Unüblich ist auch der schon fast trostlose Unterton vieler Texte. "It's hard to tell what it is and what it's not / Until it's something you ain't got", singt Lowery im Opener. "You're all I ever wanted, I'm half you'll ever need" fleht ein Mann ein Lied später seine Geliebte an, die "ihren Arsch nicht aus dem Bett kriegt". "Got beat up by an arian dude" erzählt der Sänger im Stück, das mit "Wo sind diese Tage geblieben?" betitelt ist.
Die musikalische Mischung lässt sich wohl dadurch erklären, dass das Album über mehrere Jahre entstanden ist. Die Aufnahmen begannen 2001, wurden wegen der Reunion von Camper Van Beethoven unterbrochen (wobei einige Stücke dem Klang nach aus dieser Zeit stammen), die letzten kamen dann 2005/2006 zustande. Dabei gesellten sich viele Gäste zur Stammformation, die aus Johnny Hickman (Gitarre); Frank Funaro (Schlagzeug) und Kenny Margolis (Akkordeon/Keyboards) besteht. Mit dabei ist sogar der Rechtsanwalt der Band.
"Ich stand vor der Frage, ob ich weiter Musiker sein und weiter Songs schreiben wollte. Das habe ich mit diesem Album beantwortet", erklärt Lowery, der nicht dafür bekannt ist, das ewig Gleiche vorzusetzen. Als starkem Individualisten gelingen ihm seine Alben mal mehr, mal weniger. In diesem Falle weniger.