laut.de-Kritik
Mit alten Bekannten durch den Kosmos.
Review von Yannik GölzVielleicht reicht das kulturelle öffentliche Gedächtnis im Westen nur für einen supercoolen, dreamy Hip Hop-Producer aus Japan. Und dann ist Nujabes gestorben, Hip Hop machte sich ein Jahrzehnt auf in die ganz großen Clubs, und DJ Krush blieb ein bisschen als Geheimtipp-Halbschattenpflanze in seiner Heimat zurück. 20 Jahre nach seinen großen Beattape-Heldentaten, die ihn mit Legenden wie DJ Shadow, Mos Def und Aesop Rock zusammengeführt haben, taucht dieses neue Tape auf wie eine Zeitkapsel.
"Saisei", so klärt der Pressetext auf, könnte im Japanischen mit "Renaissance" übersetzt werden, hat dabei aber eine Vieldeutigkeit irgendwo zwischen "Spiel" und "Wiedergeburt". Aha, klingt fetzig. Es klingt aber weniger wiedergeboren. Es klingt eher, als würden wir hier eine konvergente Evolutions-Linie im Hip Hop-Stammbaum vorfinden, die bei der Bohemien-Beatmacherei des 2000er-Untergrunds angefangen und an seltsame Orte geführt hat.
Die Idee, den BoomBap futuristischer zu machen, hat dieses Tape sicher nicht exklusiv. Im Gegenteil, es lief ja recht partiell zu den "Funcrusher Plus"-eksen Artists. "Saisei" wirkt musikalisch wie ein trübsinniger El-P, was die mattschwarzen Klangtexturen der Synths und Drums angeht. Aber die Aggression vom Run The Jewels-Beatmacher findet sich hier nicht mal in Ansätzen. Krush bleibt musikalisch introvertiert wie eh und je.
Viel mehr hört man heute die Anleihen von Downtempo und Trip Hop weiter in seiner Musik wuchern; Sounds, die leider Gottes in unserer Hip Hop-Geschichte schrittweise aus den Repertoires rotiert worden. "Soushouka" zum Beispiel wäre das klassische Beispiel für einen BoomBap-Beat, einfach mit sehr sphärischen, fast Ambient-mäßigen Synth-Nebelschwaden. Aber immer, wenn die Beats komplexer und störrischer werden, dann winken diese britischen Alt-Genres durch den Mix.
"Yamigenei" könnte von Tricky sein, gerade mit dem etwas theatralischen Aufspiel darauf. "Meiryukyou" hat diese Massive Attack-eske Wogenbewegung im Kern. Manchmal wird es richtig elektronisch: "Yubou" ist ein waschechter Trap-Beat, fällt aber nicht aus dem sonstigen Gerüst heraus, hat eher etwas elektronisch-raviges, gegen Ende dreht die Menge und die Komplexizität von Percussion-Elementen auf "Himeibu" den Song zu etwas auf, das an Footwork erinnert. Jlin wäre angetan.
Was macht man also mit diesem Album? Ungeachtet der technischen Mittel muss man erst mal festhalten: Die Stimmung ist handwerklich sicher und extrem kohärent. Die Jazz-Tage sind für Herrn Krush vorbei, das ist Electronica, aber trotz aller elektronischen Aura bleibt sein musikalisches Gefühl doch analog und organisch. Die Beats besitzen diese handgemachte Wertigkeit, klingen futuristisch-düster, ohne sich je für wichtiger zu halten, als sie es sind. Es ist in aller 2000er-Untergrund-Manier ein wundervolles Album, um einen durchzuziehen und auf einen Regentag zu schauen.
Natürlich wäre es schwer, so zu tun, als hätten wir es hier mit einem furchtbar relevanten Album zu tun. Das weiß er selber, da beißt die Maus keinen Faden ab. Das Faszinierende an "Saisei" ist wirklich sein aggressiv untergründiges Auftreten. Das ist die musikalische Spur von jemandem, der seit 20 Jahren keine Verpflichtung spürt, einem Trend zu folgen und in seinem spartanischen, kleinen Underground-Keller Beats macht, die nur ihm gefallen müssen. DJ Krush ist sich selbst ein Renaissance Man – und seine Musik treibt in ihrem atmosphärischen Feinsinn weit draußen im Kosmos. Es lohnt sich, diesen alten Bekannten noch nicht ganz aus dem Telefonregister zu werfen.
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