laut.de-Kritik
Verpeilter Schweizer Irrwitz zwischen Schlager und Schmonzette.
Review von Artur SchulzFällt der Name Dagobert, drängen sich zwei Assoziationen auf. Zum einen an den steinreichen Multitrilliardär aus Entenhausen, zum anderen an den letztlich im Dschungelcamp gelandeten Ex-Kaufhauserpresser. Doch es gibt noch einen dritten Namensträger, dessen persönliche Abgründe ebenfalls öffentliches Interesse verdienen. Denn der Schweizer Künstler Dagobert wildert ungeniert in den Grauzonen von Schlager und Elektro-Pop.
Die freundliche Verwirrungs-Offensive startet mit "Bild". Hier dreht es sich nicht ums gleichnamige Boulevardblatt. "Ich male mir kein Bild von dir / ich mag dich lieber direkt vor mir" beschreibt er seine unerfüllten Hoffnungen gegenüber der Angebeteten. Über verhaltener Rhythmik schwelgen Sounds, die zwar synthetisch, aber nicht seelenlos umherwabern. "Die Sehnsucht und das Warten / sind das Glück in mir", erläutert Dagobert.
Was das zentrale Thema der meisten Songs perfekt umreißt: Der Weg ist das Ziel, die Hoffnung auf Erfüllung wiegt mehr als eine mögliche Enttäuschung bei misslungenem Gipfelsturm des Herzens.
Für seine Songtitel pflegt Dagobert gern ein Verwirrspiel. "Für Immer Blau" propagiert nicht hemmungslosen Alkoholismus, sondern eine immerwährende Flucht aus dem realen Alltag. Blaumachen als Lebenskonzept - hier dargeboten innerhalb eines gleichermaßen billig wie erhaben konstruierten Klanggerüsts, inklusive abgründigen Lalala-Chören.
"Ich Bin Zu Jung" startet mit schaurigem G.G. Anderson-Intro, um sich danach zu einem beatmäßig höchst flott davon sausenden Indie-Schlager zu entwickeln. Die Chöre tragen Fingerabdrücke vergangener Engagements für Howard Carpendale und Ivan Rebroff. Die schwellende Orgel in "Die Ganz Normale Liebe" weckt Erinnerungen an die Handwerkskunst eines Mambo Kurt. Mit mal mehr, mal weniger starkem schweizerischem Akzent kratzt und croont sich Dagobert verpeilt zwischen Pop, Singer/Songwriter-Tum und hemmungslos ausgelebter Schnulzenseligkeit.
Als "Raumpilot" findet sich Dagobert pünktlich "Morgens Um Halb Vier" zu seiner "Hochzeit" ein. "Hast Du Auch So Viel Spaß?" fragt er schunkelselig zwischen herumwalzerndem Piano, gepaart mit hochemotionaler Charles Aznavour-Chansonseligkeit. Mit Sinn für liebenswerten Unsinn darf diese Frage eindeutig mit Ja beantwortet werden. Derart wüstes Herumtaumeln zwischen allen musikalischen Stühlen hat zuletzt nur bei der Blockflöte Des Todes ähnliches Schmunzeln hervorgerufen.
5 Kommentare
Hab von dem gestern auch in den Nachrichten gehört. Dass diese ganzen zugezogenen HuSo Hippster den hier in Berlin abfeiern und so. Drecksplage, allesamt in Sack und druffgeknüppelt.
Ein ironiebefreiter Alexander Marcus aus der Schweiz also?
Geiles Album! Neben Fler und Ghostface auf Dauerschleife
5 Punkte übrigens. Ich komm mal beim Artur vorbei und setze in auf den Pott wie Kajüten.
@Liam Lennon (« Hab von dem gestern auch in den Nachrichten gehört. Dass diese ganzen zugezogenen HuSo Hippster den hier in Berlin abfeiern und so. Drecksplage, allesamt in Sack und druffgeknüppelt. »):
Mal ganz dumm: warum?