laut.de-Kritik
Olle Kamellen statt Visionen - ein übler Etikettenschwindel.
Review von Dominik LippeNaturgemäß richtet sich zu Beginn eines Jahres der "Blick Nach Vorn". Daniela Alfinito eröffnet ihre Vorausschau mit dem wohl deutschesten Satz des 20. Jahrhunderts: "Nein, ich kann nicht sagen, es war alles schlecht." Natürlich handelt es sich nur um eine mutwillig polemische Weltkriegsassoziation, denn eigentlich geht es der Schlagersängerin vom Amigos-Adelsgeschlecht mal wieder um einen Verflossenen. So wühlt sie sich im einleitenden Titelsong durch Fotos aus der Kennenlernphase und schaut auch sonst konsequent zurück — ungeachtet des progressiven Album-Versprechens.
Musikalisch bleibt die Stimmung abermalig undefinierbar. Sie hält an dem geradezu militant seelenlosen Sound fest, neben dem Scooter oder Helene Fischer wie Freunde der schönen Künste dastehen. "Blick Nach Vorn" trampelt alles nieder, völlig losgelöst vom melancholischen Rück- oder zuversichtlichen Ausblick. Ebenso stapft sie "Durch Die Hölle Einer Nacht", als tanze sie ungelenk auf einer aseptischen Party. Und der Bums-Beat von "Süsses Gift" prügelt auf die schwache Vocalspur ein. Wer auch immer für die Abmischung zuständig war, sollte sich wegen Beihilfe verantworten müssen.
Das musikalische Begleitprogramm ist wie immer entkoppelt von den Texten. Thematisch bewegt sich Alfintio erneut durch die düsteren Abgründe ihrer Beziehungen. Süffisant besingt sie die unerwiderte Liebe in "Nur Du Nicht". In "Durch Die Hölle Einer Nacht" muss sie als Notnagel herhalten, wenn er seine On-Off-Beziehung mal wieder auf 'off' schaltet. Und "Nerven Aus Stahl" sind notwendig, wenn sie eine weitere Trennung durchleben muss. "Das ist doch das Allerletzte. Dein Abgang war echt mies. Ich hätt' wirklich schwören können, du bist nicht so fies", lässt sie ihren Frust beim Publikum ab.
Um ihre Gefühlswelt zu umschreiben, findet die Sängerin wiederholt Bilder, die eigentlich zum Tode führen. Da lodert ihr ein "Feuerball im Herzen" ("Nur Du Nicht"), bis sie sich gezwungen sieht, die Pumpe abzudichten ("Süsses Gift"): "In mein Herz kommt keiner rein - nie mehr!" Wiederum hochtrabend diagnostiziert sie in "Nerven Aus Stahl" die Emotionen, die "wie ein Meteor ins Herz" gehen, bevor sie das Brachialbild auf das Niveau "süßer Schmerz" eindampft. Bei der Hörerschaft schlägt der Gesteinsbrocken derweil gnadenlos im Ohr ein. Der Schmerz ist real, aber alles andere als 'süß'.
Geradezu abenteuerlich reaktionär kommt indes "Du Bist Schöner Wenn Du Lachst" daher. "Ich seh's dir an, irgendwas ist nicht OK. Vielleicht sind es ja Dinge, die ich nicht versteh'", singt Daniela Alfinito mit dem geheuchelten Verständnis eines Geschäftsführers, der seine wehklagende Sekretärin aufzumuntern versucht. Zum Glück hat sie die optimale Lösung für diese parat: "Du bist schöner, so viel schöner, wenn du lachst." Wenn sich die arme Frau irgendwann mit Tabletten ins Badezimmer zurückzieht, will niemand etwas geahnt haben. Bis dahin gilt: "Dein Lächeln steht dir einfach gut." Zwinker-Emoji.
Unbedenklicher erklingt "Glühwürmchen". Alfinito versinkt in nostalgische Erinnerungen an den Platz am See, den sie als Teenagerin mit dem Liebsten aufgesucht habe, um stundenlang "Wahrheit oder Pflicht" zu spielen. Der Billo-Beat schlägt allerdings zu, als habe es sich vielmehr um 'Hau den Lukas' gehandelt. Entscheidender ist aber, dass die Schlagersängerin stets olle Kamellen reproduziert, obwohl sie doch in "Nicht Mal Eine Sekunde" insistiert: "Ich leb' nach vorn' und nicht zurück." Ihr fehlt es an Visionen, an Zukunftsvorstellungen. "Blick Nach Vorn" erweist sich als übler Etikettenschwindel.
4 Kommentare mit 3 Antworten
supergeile Ische
Bestes Deutschrapalbum 2025 damit also auch schon eingetütet. Gehört 5/5.
„Du bist schöner, wenn Du lachst“ jedenfalls schöne Reminiszenz an deutsche Wu Tang aka Die Flippers mit ihrem der Golden Era entsprungenen „Du bist schön, wenn Du lachst, Angelina“. Rap kann auch 2025 noch richtig fresh sein, ohne die Wurzeln zu vergessen. Nicht nur Torch mag das.
Herzzerstört 5/5
Du bist schöner, wenn ich besoffen bin.
Besser als das hier wird Deutschrap dieses Jahr nicht mehr, haste Recht.
Diese Frau muss Deutschland bzw. seine Bürgerinnen und Bürger schon arg verachten, dass sie ihre musikalischen Vergehen immer direkt zum Jahresauftakt im Januar veröffentlicht. Wenn das so weitergeht, wird aus dem abgedroschenen "Guten Rutsch!" bald ein ängstlich-hoffendes "Daniela al finito" auf den Silvestergrußkarten dieser Republik.
Musik für den AfD-Parteitag in Riesa.