laut.de-Kritik
US-Rock mit dem Hitpotential einer R.E.M.-Single.
Review von Michael SchuhDie Bass-Drum kracht genau zweimal, ein Bluesriff zerschneidet für zehn Sekunden die Stille, dann steigt die Band in die Vollen: "I Did It" rockt dermaßen los, dass ich vor meinem geistigen Auge bereits sämtliche Matthews-Scheiben meines Second Hand-Dealers aufkaufe. Alternative Rock darf von der Stange kommen, wenn er mich an den Eingeweiden packt. "When The World Ends" schaltet einen Gang zurück, nicht ohne mit dem Hitpotential einer R.E.M.-Single zu glänzen. Der abrupte Schluss übertrifft dabei beinahe den von Queens "Sheer Heart Attack", was ja per se unmöglich ist.
Zugegeben, Dave Matthews' Platten schwirrten seit Jahren mit traumwandlerischer Sicherheit an meinen Ohren vorbei, entfernt asoziierte ich bislang Amerika und Bügelbrett-Rock. Letzteres darf bestritten werden, denn Mainstream kompatible Rockmusik muss nicht im 08/15-Muster gestrickt sein. Der Grat ist allerdings sehr schmal und auch Daves Band kommt schon mal vom Weg ab. Neben einer von Sehnsucht beseelten Ballade wie "The Space Between" taucht plötzlich das mit Pathos überladene "Angel" auf. Bei "Mother Father" klemmt sich Sir Santana hinter die Gitarre und genauso hört es sich dann an. Begleitmucke zum fünften Bier.
Über den gekonnten Melodiebögen thront die fette Produktion Glen Ballards, der schon Alanis Morissette und Aerosmith zu Höchstleistungen trieb. Finanziell ist die Matthews Band sowieso auf Rosen gebettet und braucht niemandem mehr etwas beweisen. In den Staaten spielen sie in einer Liga mit den soundtechnisch artverwandten Pearl Jam. Davon kann hierzulande keine Rede sein, wofür die Songs eigentlich nichts können - vielleicht schon eher die dürftige Live-Präsenz der Amis im Gegensatz zu den Vedders.
Dave und seine Jungs sind ohne Frage radiotauglich und haben auch ein anständiges Album fabriziert. Kompositorisch vermisse ich dennoch die unerwarteten Kniffe, vielleicht die rauhe Ungestümtheit einer erfolgshungrigen Combo, die ihren Proberaum noch mit Postern ihrer Idole anstatt mit Platinscheiben dekoriert. Nun denn, "I Did It" wird die Single. Hands up!
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