laut.de-Kritik
Die Wiedergeburt des David Stewart in Nashville, Tennessee.
Review von Ulf KubankeBei David A. Stewart denkt man an 80er, Synthiepop, Eurythmics, und Annie Lennox. Trotz seiner Umtriebigkeit als Producer, Comicautor etc. fristen die teils sehr farbenfrohen Solowerke des Briten seit jeher ein Schattendasein in der öffentlichen Wahrnehmung.
Nun hat Stewart eine neue alte Liebe gefunden. Wie so viele Engländer seiner Generation fühlt er den Blues plus ein wenig Country in sich gären. Zum Glanzpunkt – wie bei Hugh Laurie – taugen seine smart betitelten Blackbird Diaries indes nicht.
Zu wenige echte Highlights und Hinhörer. Stattdessen viel mediokre Dutzendware aus dem typischen 'Aging White Man plays the Blues/Country'-Baukasten, der schon zuletzt bei Freund Clapton für lange Gesichter sorgte.
Nur fünf ganze Tage dauerte die Erweckung des David in Nashville, Tennessee. Mit Freunden wie Dylan oder Stevie Nicks schießt er in der knappen Woche 13 Songs aus der Hüfte. Die Schnelligkeit der Produktion fällt dabei allerdings nicht negativ ins Gewicht. Der Hörer hat keine Sekunde lang das Gefühl, die technische und virtuose Umsetzung sei hingeschludert. Beeindruckend, welch klare Konturen der Mann aus dem ungemütlichen Nordosten des UK in solch kurzer Zeit zu zaubern vermag.
"Beast Called Fame" rockt massiv und gewollt schwerfällig über den Teppich. Schade, dass der ohnehin nicht besonders bemerkenswerte Track nur durch die starke Anlehnung der eigenen Strophe an "I'm Waiting For The Man" erinnert. Man kann sogar die VU-Zeilen Baby don't you holler, darlin' don't you bawl and shout dazu singen. Anfängerfehler!
Immerhin vermeidet der Eurythmiker auf "All Messed Up" jegliche Lou-ismen. Dafür erinnert das launige Duett mit Martina McBbride – besonders zu Beginn der weiblichen Vocals – eklatant an Elton Johns "Sorry Seems To Be The Hardest Word". Zwei überflüssige Pannen für solch eine Koryphäe.
Schrecklich wird es fast ein jedes Mal, wenn Männer mittleren Alters dem 'Blues n Country' sehr verfallen und berauscht von sich selbst jegliche Sorgfalt beim Komponieren den Bach herunter segeln lassen. Gibt es überhaupt noch jemanden auf diesem nicht gerade unterbevölkerten Planeten, der sich die Finger leckt und nach uninspirierten 08/15-Reißbrett-Fürzen wie "The Gypsy Girl And Me", oder das vergreist einfallslose "Country Wine" giert? Was für ein desaströses 'Malen nach Zahlen'-Armutszeugnis.
Sogar die Kollaboration mit dem alten Kumpel Bob Dylan taugt in seiner Schema F-Betulichkeit höchstens zur verschämten B-Seite. Sweet Dreams are definitely not made of this! Solches Blech wird dem Publikum mitunter gern als 'Back to the Roots-Nugget' angedreht. Nicht mit uns. Hat schon bei Kid Rock nicht funktioniert.
Dennoch könnte sich das Album mittelfristig als wichtiger Übergang erweisen. Aller Anfang ist schließlich schwer. Und zum Glück lässt Dave sein kompositorisches Können hie und da aufblitzen. "The Well" birgt kein muffiges Brackwasser. Ein wenig wie Dylans "Love Sick" plus Morricone-Gitarre. Zum Ende setzt Stewart seine eher unspektakuläre Stimme endlich einmal dramaturgisch würzig ein. Mehr Cash als Gunter Gabriel. Anmutige Melodie. Danke, es wurde auch Zeit.
Als noch größere Geste dient "One Way Ticket To The Moon". Zwischen Hafenchanson, mediteranem 70er Schlager und einem ordentlichen Schuss Calexico zelebriert der Missionary Man fast beiläufig eine seiner typischen Breitwandpop-Perlen. Mit traumwandlerischer Sicherheit stetig dreieinhalb Milimeter vor der bedrohlich nahenden Kitschgrenze. Auch das niedliche Duett mit Stevie Nicks, "Cheaper Than Free", taugt mehr als die meisten gemeinsam verfassten Lieder ihrer parallel erschienenen Platte..
Zur Ehrenrettung gereichen diese Songs. Die gesamten "Blackbird Diaries" bewahren sie gleichwohl nicht vor dem Absturz. Stewart sollte sich die Zeit nehmen, einen eigenen Stempel für das Genre zu finden. Zu präsent sind noch die gängigen Schablonen und Ikonen aus dem eigenen Freundeskreis.
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