laut.de-Kritik
Niemals kitschig, immer erhaben.
Review von Ulf Kubanke"Hässlichkeit ist der Schönheit überlegen, denn sie vergeht nicht", sagte Oscar Wilde vor 120 Jahren. In der Musik ist es meist umgekehrt. Mit "Symphonic Klezmer" gelingt dem David Orlowsky Trio eine der anmutigsten und kurzweiligsten Platten des Jahres mit Wundervoll emotionalen Melodien im klassischen Gewand. Wer die Einaudi und Agnes Obel mag, sollte ein Ohr riskieren. Alle anderen auch.
Überbordender Frohsinn, tiefe Melancholie, und der Hang zum Klassikrahmen machen das Gebräu zur echten Delikatesse. Im Zentrum steht als roter Faden die Klarinette Orlowskys. Nicht erst seit Naftule Brandwein und Giora Feidman gilt das Instrument als Weltmeisterin darin, menschliches Lachen und tiefe Verzweiflung gleichermaßen authentisch zu spiegeln. Das Vermitteln berückender Stimmungen und puren Gefühls beherrscht der Tübinger wie kaum ein anderer. Hinter den genannten Altmeistern muss er sich genau so wenig verstecken wie einst der andere David vor Goliath.
Wie ein Conferencier geleitet Orlowsky den Hörer mal zart wie Morgentau, dann sirenenschreiend durch den Dschungel von Fagott, Oboe und einem zupackenden Heer Violinen. Sehr beeindruckend, wie er auch in den zerbrechlichsten, ruhigen Momenten ein klingendes Charisma versprüht, das seinesgleichen sucht. Das sensibel arrangierte Kammerorchester Potsdam verpasst Drumherum einen perfekt sitzenden Maßanzug zwischen Wucht und Stille. Niemals kitschig, immer erhaben.
Auf den ersten Blick scheinen seine kongenialen Mitstreiter Jens-Uwe Popp und Florian Dohrmann ein wenig versteckt im Hintergrund. Das ist neu. Bilden sie normalerweise doch eine akustisch verschworene Einheit und funktionieren als echte Band. Bei näherer Betrachtung erweist sich der Schachzug jedoch als virtuoses Ass im Ärmel. Kontrabass und Gitarre füllen ihre Nebenrolle dermaßen pointiert aus wie die sprichwörtliche Kirsche auf der Torte. Vor allem bei Popps lakonischen Anschlägen meint man einen Hauch Zigeunerswing analog Django Reinhardts alter Schule zu vernehmen.
Gemeinsam gelingt ihnen etwas in allen Genres seltenes: Jeder einzelne der zwölf Songs funktioniert als eigenständige Perle einzeln für sich. Dennoch ist die Dramaturgie des Gesamtkunstwerks so perfekt gezirkelt, dass sie zusammen ein Mosaik der Klänge ergeben, das man nicht aufbrechen mag. Diese doppelseitige Qualität teilen sie mit Alben wie etwa Ludovico Einaudis Geniestreich "In A Time Lapse". Das jeweils aktuell laufende Lied scheint vermeintlich der Höhepunkt und das Beste; bis das nächste beginnt. Man kann sich für keinen Favoriten entscheiden, nur genießen. Die Skiptaste setzt Spinnweben an.
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