laut.de-Kritik
Die Beatles des Black Metal.
Review von Manuel BergerIhr letztes Album "Sunbather" bestritten Deafheaven mit einem rosa Cover. Klarer Fall für so manch eingesessenen Schwarzheimer: Hipster Black Metal! Diesmal geht es zwar auf dem Cover etwas düsterer zu. Dafür sorgt jetzt ein Track für den Hipster-Faktor: "Baby Blue". Wisst ihr was? Hipster sind super!
Okay, dreimal das Unwort innerhalb eines Absatzes reicht für den Rest des Textes. Machen wir es kurz: Wer sich Deafheaven allein aufgrund von Äußerlichkeiten verweigert, verpasst auf ihrem dritten Album Einiges. An alle Corpsepaint-Jünger: "New Bermuda" lehrt stellenweise sogar eure Lieblingsbands das Fürchten.
Deafheaven können zwar unglaublich sanft, mindestens genauso oft prügeln sie aber in bester Teufelsmanier drauflos. Als Vorbild dienen dabei klar frühe Black Metal-Institutionen der 80er und 90er. In Kombination mit träumerischen Shoegaze-Einlagen entsteht totales Gefühlschaos. Im einen Moment möchte man sich vor Angst und Kälte zitternd in die Ecke verkriechen. Im nächsten genießt man tiefenentspannt die Wärme.
Allein was in den ersten beiden Songs passiert, katapultiert Deafheaven an die Spitze der Blackgaze-Bewegung. Kirchengeläut eröffnet, dann blastet Daniel Tracey auch schon los. Die Gitarre fungiert zunächst nur als Verlängerung des Glockenschlägels, bevor sie in aggressives Palm-Muting verfällt. Wenn George Clarke nach anderthalb Minuten zu keifen beginnt, herrscht bereits eine derart dichte Atmosphäre, dass man als Hörer alles andere um sich herum vergisst.
Einen völlig neuen Anstrich verleiht "Brought To The Water" eine nach etwa dreieinhalb Minuten einsetzende Melodie. Mitten aus dem Black Metal-Wald schält sich ein Dur-Lead. Das klingt zunächst etwas schief, ergibt im weiteren Verlauf aber schnell Sinn. Dabei wechselt die Gitarre immer wieder zurück nach Moll. Dieser Kniff führt schon bald geradewegs in einen ambient-shoegazigen Part im Stile Alcests. Lektion Übergänge: erfolgreich absolviert.
"Luna" geht im Anschluss noch deutlich roher zu Werke. Black Thrash-Riffing eröffnet den Reigen, große Teile des Songs überziehen erbarmungslose Highspeed-Attacken, immer wieder durchsetzt von Mini-Heile-Welt-Gitarrenfills. Als längstes Albumstück bietet "Luna" darüber hinaus natürlich noch mehr. Konträr zum vorhergehenden Gewitter zaubern Deafheaven plötzlich eine gar liebliche Clean-Delay-Melodie.
Der ganz große Wahnsinn ist dann erst einmal vorbei. Ganz ohne Aggression agiert "Baby Blue". Hier schwelgen die Musiker minutenlang in zweistimmigen, effektschwangeren Cleansounds. Die Show stiehlt ihnen Schlagzeuger Daniel Tracey, der darunter seine Finesse beweist. Geschwindigkeitsrausch bleibt diesmal außen vor, striktes Mid-Tempo ist angesagt. Der Groove dankt es, das Pentatonik-Wah-Solo ebenfalls.
Im Gegensatz zum Bisherigen wirkt "Come Back" geradezu gleichförmig. Zumindest die erste Hälfte geht im direkten Vergleich mit den Albumkollegen etwas unter. Dafür punktet der Schlussteil. Die Nachtmahre ziehen sich zurück, das harsche Gerüst öffnet die Tore zu wunderschöner Traumlandschaft. Bass und Gitarre spielen sich die Bälle zu, übernehmen abwechselnd die Führung. Gut gespielte Bottleneck-Einlagen muss man sowieso mögen.
Eigentlich ein schöner Closer, "Gifts For The Earth“ schließt jedoch nahtlos an und macht es mindestens genauso gut. Erst quält George Clarke seine Stimmbänder in Shining-Manier, während Schellenkranz und Akkordspiel (später auch mit Akustikgitarre) entspannen. Wenn am Ende zusätzlich Klavier einsetzt könnte das auch von Brian Wilson oder den Beatles stammen. Wie viele Black Metal-assoziierte Bands das wohl von sich behaupten können? Jedenfalls nicht besonders viele. Deshalb hört ihr euch "New Bermuda" am besten einfach einmal an.
4 Kommentare mit 27 Antworten
Schwachpunkt der Band ist für mich der Sänger, seiner Stimme fehlt es an Durchschlagskraft und seine Intonation iat auf Dauer sehr monoton.
Einige der Songs auf New Bermuda wirken eher wie aneinander gereihte Versatzstücke, aber vielleicht legt sich dieser Eindruck noch.
Problematisch fand ich immer die Band in Medien, die sonst nicht im (Black) Metal angesiedelt sind, die permanente Behauptung von Innovativität lässt sich nicht bestätigen, vieles was ich bei Deafheaven höre, erinnert an Emperor, Ulver, Shining (Swe) oder DHG.
Gehe ich mit. Vom Sound wirkt das sehr konstruiert und wenig flüssig. Ihre Instrumente beherrschen die, aber zu einer mehr als durchschnittlichen Black -Metal-Band fehlt mir doch ein Stück weit Intensität und Spirit. Wie man innovative Elemente im Black Metal integriert und trotzdem nicht die Intensität drunter leidet zeigen z.B. Panopticon.
BlackMetal braucht keine Innovation, so einfach ist das.
Sag das mal Ulver....
... die leider schon lange kein Black Metal mehr machen.
Eben, die haben innoviert
Nö, die haben sich einfach eine komplett andere Spielwiese gesucht.
Black Metal ist Jazz.
Und Jazz ist anders.
Und Ulver-Platten wie "Perdition City" und "Shadows Of The Sun" sind mehr Black Metal als es Deafheaven jeweils sein werden.
Allein das Saxophon in "Shadows of the Sun" ist ein Beweis totaler Überlegenheit.
Wir brauchen hier noch ganz dringend den grantigen Typen, der jede BM-Veröffentlichung nach '95 für untrve hält.
@tinco: der Mangel an trveness steht doch gar nicht zur Debatte, der ist axiomatisch.
Hier geht's um Ausdruck, Gefühl und Intensität.
Was soll ich sagen; ich bin froh über diesen verweichlichten Post-Metal, 40 Minuten Immortal kann ich mir persönlich heute einfach nicht mehr geben.
"Nö, die haben sich einfach eine komplett andere Spielwiese gesucht."
Deine Wurzeln kommen immer durch als Musiker. Du kannst nicht etwas neues beginnen, ohne dass sich das vorige in deinem Spiel niederschlägt...
Tinco. Magst du irgendwelchen Pop oder Indie-Pop? Und könntest du mir welchen empfehlen? Ich bedanke mich ausserdem für deine Jazz-Empfehlungen.
Das halte ich für sehr romantisiert @Catch.
Ziemlich genialer Nachfolger. Ohne die Stärken, die Shoegaze-haften Gitarren-Wänder zu verlieren, hat man im Gegensatz zu Sunbather nochmal zugelegt und die Übergänge vom Black Metal ins Sphärische perfektioniert. Ja, Sänger könnte was stärker sein. Trotzdem so ziemlich einzigartiges Release und unglaublich, dass sie auf Sunbather direkt nochmal solch einen Meilenstein hingekriegt haben.
Haha, what a story, Mark.
I did not hit her. I did not. Oh, hai Mark.
You seem to be the ÄÄÄXpert, wenn es um Deafheaven geht, Mark.
You're my favorite Deafheaven Hörer.
Myrkur > Deafheaven
Absolut!
Myrkur ist der letzte Schrott
Mit Myrkur würde ich aber gerne mal Schnee schieben.
Nachtlieder > Myrkur > Deafheaven
Was soll's. Ich geh Jazz hören.:klatbier:
:kaltbier:
Wo ist mein Lieblingssmiley hin.
auf Dauer doch etwas ermüdend. Aber es stecken echt geile Stellen drin...