laut.de-Kritik
Zwei Trennungen überschatten das Album.
Review von Andrea Topinka"Kintsugi" bezeichnet im Japanischen eine Methode, zerbrochene Keramikstücke wieder zusammenzusetzen. Der Name passt: Über gebrochene Herzen, gescheiterte Beziehungen und angeschlagene Selbstbilder helfen Death Cab For Cutie sich selbst und ihren Anhängern seit 17 Jahren hinweg.
Das achte Album der Band überschatten zwei Trennungen: Ben Gibbards Scheidung von Schauspielerin und Musikerin Zooey Deschanel 2012 sowie der Ausstieg des Gründungsmitglieds Chris Walla vergangenen September. Walla arbeitete zwar vor dem Split an einigen Songs mit. Doch danach mussten Death Cab zum ersten Mal auf einen externen Produzenten zurückgreifen. Die Wahl fiel auf Rich Costey, der unter anderem an Alben von Muse, Santigold und Frank Turner beteiligt war.
Umwälzen wollte den Klang des Trios offensichtlich niemand, Costeys Einfluss bleibt marginal. Im Vergleich zu "Codes And Keys" ist die Instrumentierung weniger auf epische Momente angelegt, sondern neigt öfter zur Zurückhaltung. "Hold No Guns" und "You've Haunted Me All My Life" trägt eine Akustikgitarre fast allein, hinter den Vocals von "Ingenue" verschwimmen "Lalalas"- und "Ahahahs"-Gesänge und die schüchternen Gitarrennoten.
In der Singleauskopplung "Black Sun" rattert nach drei Minuten die E-Gitarre für ein Zwischenspiel los, ansonsten bleibt die Begleitung gedämpft, während Gibbard Tiefpunkte seiner Scheidung resümiert: "There is whiskey in the water / And there is death upon the vine / There is fear in the eyes of your father / And there is 'yours' and there is 'mine'". Im Chorus schließt er die Frage an: "How could something so fair be so cruel / When this black sun revolves around you?".
"Good Help (Is So Hard To Find)" ist der seltene Moment, in dem Costeys Erfahrung mit Bands wie Foster The People durchscheint: Ein tanzbarer Popsong. Zwischen der überwiegenden Tristesse der Platte lockert das Stück auf, ist leider aber schwächer als der Rest. Emotionale Introspektion meistert Gibbard einfach besser.
Bei "The Ghosts Of Beverly Drive" stoßen Death Cab For Cutie durch interessante Produktion ebenfalls in Gefilde des Indiedisko tauglichen Pop-Rocks vor. Im Gegensatz zu "Good Help (Is So Hard To Find)" setzt sich die Nummer über den L.A.-Verdruss des Sängers sofort mit der etwas unheimlichen Atmosphäre im Hintergrund sowie dem Refrain im Gehörgang fest: "I don't know why, I don't know why, I return to the scenes of these crimes / Where the hedgerows slowly wind, through the ghosts of Beverly Drive / I don't know why, I don't know why, I don't know what I expect to find / Where all the news is secondhand and everything just goes on as planned".
Die Auseinandersetzung mit dem Promimoloch Los Angeles bleibt die wiederkehrende Thematik. Meist ist sie direkt verknüpft mit den Geschichten über Liebe und Enttäuschung. Während der Bruch mit Deschanel vermutlich die Zeilen aus "No Room in Frame" inspirierte: "Was I in your way? When the cameras turned to face you?", erzählt "Little Wanderer" von der Beziehung mit einer viel reisenden Partnerin, die an der Distanz zu zerbrechen droht. "You've Haunted Me All My Life" sehnt sich nach der ewig Unerreichbaren: "You're always out of reach when I'm in pursuit / Long winded, then suddenly mute / And there's a flaw in my heart's design / For I keep trying to make you mine".
Auch wenn einige Songs vermutlich ihren Weg in die nächste Teenie-Serie schaffen werden, textlich reflektiert Gibbard neben Leidenserfahrungen auch die Lebensumstände in unserer technisch versierten Welt und grübelt über aktuelle Fragen: Im rauschenden Piano-Closer "Binary Sea" geht es z.B. um Grenzen zwischen News und Privatem, die Auswirkungen sozialer Medien auf unsere Beziehungen und dergleichen. Wie bei früheren Alben muss man auf Dauermelancholie und den ruhigen Sound stehen, um "Kintsugi" zu mögen. Wer das tut, kann sich auf Death Cab for Cutie verlassen.
7 Kommentare mit 2 Antworten
yes!
sehr, sehr gutes album und eine "return to form" nach codes&keys.
stimme AT allerdings nur bedingt zu, wenn sie schreibt, der einfluss eines erstmals externen produzenten ist höchstens bei "good help..." zu hören (wobei dort sicher am stärksten die "foster the people" referenz zu hören ist). ich finde, das album hat eine poliertheit im sound, die es davor höchstens auf "plans" zu hören gab. das wird bestimmt viele alte fans und allgemein leute, die eine indie-platte erwarten, abschrecken. für mich machen sie alles richtig.
Pogchampi, Allah. Schön das du mal wieder am Stiso bist. Lass dich mal wieder im Chat blicken!
Gefällt.
Yep, alles richtig gemacht. Sollte allerdings bei dem Produzenten auch nicht überraschen. Für Experimente ist Rich Costey eher weniger bekannt.
Hirnverbrannti, Allah! Sei gegrüßt. Lass dich mal wieder öfters im Chat blicken, hm? Danke.
Habs mir im Stream angehört und es klingt mir einfach zu glatt und banal. Die Stimme taugt mir auch nicht. Etliche Male probiert mit der Band, es wird nix mehr.
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
klasse review eines nach bisherigem hören absolut gelungenen albums. hatte nach den grandiosen "transatlanticism" und "plans", nach denen ich damals richtiggehend süchtig war, das interesse an der band verloren aufgrund anderer lebensumstände, musikalischer orientierung etc., hab mir die 2 alben drauf daher nicht mehr angehört. aber genau so ein album wie das hier habe ich jetzt gebraucht. der titel ist genial in seiner metaphorischen mehrdeutigkeit und dabei perfekt beziehbar auf emotionale wunden des lyrischen ichs oder des rezipienten. schwermut, allerdings in intelligente lyrics verpackt und musikalisch relativ beschwingt dargeboten - das hab ich an death cab for cutie damals geliebt und das wird mir auch jetzt geboten und ich freue mich total, als hätte ich ne alte liebe wiedergefunden. und wenn ich jemanden wie zooey deschanel ziehen lassen müsste, dann wär ich auch frustriert - perfekte grundlage für kunstschaffende..