laut.de-Kritik
Weder notwenig noch übel, aber trotzdem gut.
Review von Daniela ReichertDeborah Harry ein notwendiges Übel? Eher weniger. Dass der Titel des Albums nicht die Sängerin selbst bezeichnet, begreift man spätestens nach den ersten vier Tracks. Viel mehr handelt es fast ausnahmslos von der Liebe und die damit verbundenen Übel wie Eifersucht, Trennung oder Liebeskummer.
14 Jahre nach ihrer letzten Soloplatte präsentiert die mittlerweile 62-jährige Blondie-Frontfrau ein sehr poplastiges Album, in dem sie die Liebe von allen Seiten betrachtet. Ausnahmen wie "School For Scandal", in dem sie ziemlich eindeutig die Stars und Sternchen mit ihren "Skandalen" der letzten Zeit kritisiert, bestätigen die Regel.
Scheinbare Schmachtfetzen wie "If I Had You" entpuppen sich als deutlich tiefgängiger als zunächst vermutet - trotz des Refrains, in dem sie mit hoher Stimme säuselt: "If I had you crushes wouldn't even matter and living a lifetime I'm dying to know if it's true". Der Rest des Songs erzählt ziemlich resigniert von einer verpassten Chance, die nicht mehr wieder kommt.
Leider gibt es auch musikalische Ausrutscher wie "You're Too Hot", das zuerst mit fast einer halben Minute klavierbegleitetem Geheule beginnt, um dann in eine Mischung aus seltsamen Pop-Beats und Schlagzeugbegleitung zu wechseln, über die Debbie den Text abwechselnd keucht oder schreit. Den absoluten Tiefpunkt erreicht das Lied gegen Ende, wenn sie wieder fast eine halbe Minute "U-wah u-wah u-wah" ins Mikro, na ja, kaut beschreibt es am besten.
Gleich danach folgt "Dirty And Deep", ein Tribut an Lil' Kim, bei dem Debbie ansatzweise versucht zu rappen und Texte wie "She had a diggy at Biggy, whatcha want for a giggy, she got it under her wiggy" von sich gibt. "What Is Love" belohnt mit sanften Popmelodien, unterlegt von Schlagzeug und Gitarren, fürs Durchhalten. Wie der Titel schon sagt, geht es um die Suche nach der Bedeutung der Liebe. Einzig störend wirken die buddhistischen Mönchsgesänge am Ende.
Aber Experimente scheut Debbie sowieso nicht. Ob Glockenklänge kombiniert mit New Wave-Melodien wie in "Naked Eye" oder an afrikanische Trommeln erinnernde Beats bei "Heat Of The Moment": das klingt eigentlich alles richtig gut, bis sie es bei "Jen Jen" wieder übertreibt.
Da lässt sie zu Gitarren- und Keyboard-Begleitung ein paar Männer ins Mikro in einer, wie ich vermute, afrikanischen Sprache singen und stöhnen. Das klingt, als hätten die armen Kerle Zahnschmerzen, was das Zuhören nicht gerade zum Genuss macht.
Den Abschluss bildet die jazzig angehauchte Nummer "Paradise", auf der Debbie von Gitarre und Saxophon begleitet mit wunderbar sanfter Stimme fast so klingt wie Amy Winehouse. Diese Art von Song ohne lästige Pop-Beat-Experimente, nur von Instrumenten begleitetet, stehen ihr am besten.
Schade, dass sie sich nicht durchgehend darauf konzentrierte, es würde dem Hörer einige unangenehme Überraschungen ersparen. Insgesamt beweist sie aber trotz dieser Fehlgriffe, dass sie nach wie vor ein Gespür für gute Melodien und Texte hat.
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