laut.de-Kritik
Sogar Vince Clarke und Alan Wilder wollten mal wieder dabei sein.
Review von Michael SchuhAlso, eins muss man den Verantwortlichen hinter dieser zweiten Mix-Compilation nach "Remixes 81-04" ja lassen: Dass sich Erasure-Boy Vince Clarke mal an einem Depeche Mode-Song als Remixer versuchen würde, galt lange Zeit als so wahrscheinlich wie eine DM-Bühnenreunion mit Alan Wilder. Doch die Zeit heilt scheinbar wirklich alle Wunden und so schwebt über der erneut ausufernden Mix-Nabelschau die Kai Pflaume-mäßige Zusammenführung der beiden Band-Abtrünnigen auf einem Album.
Auf einem 3-CD-Album, um genau zu sein, denn wer sich nur die 1- oder 2-CD-Version mit den überwiegend bekannten Mixes zulegt, wer also praktisch offen zugibt, den alten Scheiß nicht schon komplett zu besitzen, der hat diesen besonderen Devotee-Moment mit Clarke und Wilder sowieso nicht verdient, wird sich der mutmaßliche Initiator der ganzen Geschichte, Mute-Boss Daniel Miller, wohl gedacht haben.
Einer muss sich schließlich ums Finanzielle kümmern. Da die Band selbst seit Jahr und Tag wenig Interesse an den Remixversionen der eigenen Songs zeigt, wird es Gore und Co. auch schnuppe gewesen sein, dass ihr Klassiker "Personal Jesus" im Stargate Mix als komplett ideenbefreites Großraumdisco-Gebolze der nächsten Ballermann-Fete entgegen holzt. Sogar Kommerz-House-Pausenclown Eric Prydz schummelte sich irgendwie auf die Tracklist.
Äußerst kurios, dient doch eine Veröffentlichung wie "Remixes 2: 81-11" in erster Linie der Zurschaustellung etablierter Bands und anerkannter DJs, die für einen Depeche Mode-Remix inzwischen Schlange stehen. Und manche machen ihre Sache durchaus gut: Karlsson & Winnberg von Miike Snow laden uns in "Tora! Tora! Tora!" zu einer abenteuerlichen Berg- und Talfahrt durch absonderliche Soundscapes ein und auch der dunkle 82er Song "Leave In Silence" verdient es, in einem zeitgemäßen Update (Claro Intelecto The Last Time Remix) reüssieren zu dürfen. Von Röyksopp mag man sich in Verbindung mit der genialen Songwahl "Puppets" zunächst ein marschierendes Electrobrett erhofft haben. Das gediegen groovende Resultat entfaltet jedoch auch schnell seine Wirkung.
Trentemöller treibt dafür das stoische "Wrong" auf die Tanzfläche, agiert unter Beibehaltung der Gesangsspuren aber behutsam genug, um die immense Zahl stupider Techno-Remixklopfer nicht noch weiter in die Höhe zu treiben. Hierzu muss wiederum leider "Dream On" (Bushwacka Tough Guy Mix) gezählt werden.
Kunstfertig geriet 1997 Dan The Automators fragile Hip Hop-Bearbeitung von "Only When I Lose Myself", während sich UNKLE in "John The Revelator" näher am Song orientierten, dabei aber den Eindruck vermittelten, als wollten sie vor allem mal ein bisschen zu einem Depeche Mode-Song jammen.
Die französischen Weichmaler von M83 leiden auch nicht unbedingt unter mangelndem Selbstwertgefühl. "Suffer Well" funkelt im beswingt-relaxten Elektrokorsett des Duos und steht eigentlich als komplett eigener Song da: Gahans Beiträge werden nach einer Minute freundlich und bestimmt gekappt, bevor das Duo dann sogar mit der oft unklugen Idee reüssiert, dem Song selbst eingesungene Melodielinien unterzujubeln. Weniger gelungen dagegen Digitalism, die ohne Sinn und Verstand über "Never Let Me Down Again" bratzen. Auch Nullnummern wie "Corrupt" im Efdemin-Remix gilt es auszuhalten.
Sogar ein Jacques Lu Cont aka Stuart Price sieht sich mittlerweile nicht ganz zu Unrecht mit dem Vorwurf konfrontiert, ein Sounddesign erschaffen zu haben, das zwar auf Anhieb erkennbar ist, sich aber im weiten Sammelbecken der Killers, Coldplays und Madonnas zunehmend verliert. Dagegen fönt Minimal-Checker Oli Huntemann im Verbund mit Stephan Bodzin den Klassiker "Everything Counts" reduziert auf ein modernes Electro-Tech-Level.
Und die ehemaligen Beteiligten? Soundwizard Alan Wilder bearbeitete das ruhige "In Chains". Angeblich erhielt der Ex-Keyboarder aus dem Mode-Camp die Aufforderung, keinen Song aus seiner aktiven Zeit auszuwählen, was in Fankreisen wieder zu allerhand Verschwörungstheorien führte. Fakt ist aber, dass der ätherische 2009er Song gut zu Wilders eigenen Pop-Vorstellungen passt und das etwas entschlacktere, im düsteren Recoil-Kosmos mäandernde Ergebnis klar seine Handschrift trägt.
Oktavbass-Hüpfer Clarke macht seine Sache ebenfalls gut, wandelte "Behind The Wheel" in einen unerwartet frischen Tech House-Stomper um und war von seinem eigenen Floor-Wumms scheinbar so verballert, dass er die letzten drei Minuten völlig vergaß, noch ein bisschen mehr Abwechslung rein zu bringen.
Unterm Strich steht eine Tracklist, die das musikhistorische Verdienst der britischen Band um die Vermählung von Pop und Avantgarde zwar nochmal deutlich herausstreicht. Der Mehrwert zur letzten Remix-Compi hält sich allerdings in argen Grenzen. Aber darum ging es ganz offensichtlich ja auch nicht. Die gute Nachricht zum Schluss: Martin Gore schreibt wieder an neuen Songs.
6 Kommentare
Noch kein Kommentar, wo sind die Devotees? Mir geht es wie Depeche Mode, ich hatte auch nie gesteigertes Interesse an deren Remixe, weil die meist grottenschlecht waren mit wenigen Ausnahmen wie: Enjoy The Silence (The Quad: Final Mix) oder dem frühen Mash-Up Behind The Wheel (Beatmasters Mix)
Kp ey.. Ghost, Freestate, When The Body Speaks, Leave In Silence, In Chains (Alan Wilder), Puppets, ? Of Time und PJ (Sie Medway-Smith) klingen bombe! Sehr geil! Sixtoes, Trentemoller, Peter Björn and Mary/i und Digitalism haben imo auch sau geile Remixe gebracht die letzten Jahre.. =)
Milk, milk, milk the cashcow ...
Dann wird es ja bald Zeit für Best of vol 2.
Durchwachse Compi würde ich sagen. Diese ganzen Techno-Stampfer brauche ich jetzt nicht wirklich. Warum es aber der Console-Mix von "Freelove" wieder nicht drauf geschafft hat, bleibt mir ein Rätsel.
@lodger: so siehts aus. good old gretsche hätte diese ehre verdient.