laut.de-Kritik
Perfekte Musik fürs Standesamt.
Review von Stefan MertlikSeit 2015 veröffentlicht der irische Sänger Dermot Kennedy eine Single und EP nach der anderen. Ein Debütalbum blieb er seinen Fans ungewöhnlich lange schuldig. Mit "Without Fear" schießt der 27-Jährige dieses nun mit Major-Label-Antrieb direkt in die Herzen der emotional anfälligen Kundschaft. Denn geliebt und getrauert wird immer.
Kennedy nutzt dabei die ständig gleiche Formel: Es beginnt eine Akustikgitarre, ab der zweiten Strophe stampfen die Drums los und am Ende ertrinkt der Song in von Geigen geschwängertem Bombast. Als bestes Beispiel hierfür dient das abgedroschene "The Corner". Jedes der 13 Lieder könnte im Standesamt laufen, an massentauglichem Pathos mangelt es nirgends.
Damit aber auch wirklich alle verstehen, dass "Without Fear" die großen Gefühle behandelt, fleht Kennedy im Opener "An Evening I Will Not Forget": "I still love you, though / I still love you, though / I still love you always / So hold me when I'm home, keep the evenings long". Wenn man Platzhalterzeilen wie diese streicht, bleiben dennoch ein paar Textstellen übrig, die frisch klingen.
Dermot Kennedy will Bilder erzeugen, die sich von der üblichen Phrasendrescherei abheben: "That night, that drive / Felt like every single wolf was around us / That night was so quiet / Felt like all the trees were keeping the sound out". Dass die Texte ab und an wie die eines verkappten Rappers klingen, unterstreicht Kennedy auf "Outnumbered". In der ersten Strophe webt er Sprechgesang mit ein.
Die lauten Töne stehen ihm dabei besser als die ruhigen. Dabei entfaltet sich Dermots Stimme, wirkt heißer und bleibt im Ohr hängen. Vieles auf "Without Fear" geschieht beiläufig. Dass beispielsweise "Moments Passed" mit Vocal-Samples und einem Drumcomputer bestückt ist, bemerkt man erst beim zweiten Hinhören.
Wäre die Liebe ein Marsch, Dermot Kennedy würde als Little Drummer Boy vorauslaufen. In Stücken wie "All My Friends" und "What Have I Done" klatschen die Snares wie bei einem Militärauflauf. Dadurch wirken die vermittelten Emotionen noch intensiver. Piano und Geige besorgen den Rest und Kennedy schreit seine Liebesbekenntnisse verzweifelt in den Nachthimmel.
Frische Ansätze bleiben auf "Without Fear" Mangelware. Dermot Kennedys Musik klingt eindimensional. Den Spagat zwischen Schlichtheit und Schwulst vollbringen Künstler wie Hozier und Ben Howard mit besseren Ideen. Nach der Hälfte stellen sich Ermüdungserscheinungen ein, die auch die charismatische Stimme des Iren nicht vertreiben kann.
1 Kommentar
Er hat eine außergewöhnliche Stimme und anhand der alten Singles sieht man, dass er wirklich relevante Musik machen kann, die sich auch lyrisch vom Mainstream abheben. Aber das Major hat ihm anscheinend dazu geraten alles mit Orchester zu unterlegen und jede Rohheit zu killen.