laut.de-Kritik
Mit Cate Le Bon und neuem Label zu poppigeren Ufern.
Review von Giuliano BenassiDie Jahre der Pandemie setzten dem Freak-Folk-Musiker und Maler aus Los Angeles zu. Die Rettung war, wie so oft, eine Frau, wenn auch nicht im romantischen Sinne. Mit der befreundeten walisischen Künstlerin Cate Le Bon begab sich Devendra Banhart in ein abgelegenes Haus im Topanga Canyon, das einst Neil Young gehörte. Er zog sich ein Issey Miyake-Kleid an, das er sich von Le Bon ausgeliehen hatte, und eine Perlenkette seiner Großmutter. Bestens mit Instrumenten und Ideen ausgestattet, ließen sie ihrer Kreativität freien Lauf und vertrieben so die dunklen Gedanken.
Es war ein besonderer Ort, denn in dem Haus hatte Young 1970 eines seiner besten Alben aufgenommen, "After The Gold Rush". Statt zur Gitarre griffen Le Bon und Banhart aber eher in Synthesizer-Tasten und entlockten ihnen wabernde Klänge. Dass die 1980er Jahre eine große Rolle spielen, ist angesichts von Le Bons Solo-Output keine Überraschung. Und so erinnert das Ergebnis an Art Pop im Stil von Roxy Music, mit freundlichen Grüßen von Brian Eno.
Leider aber ist Banhart nicht Bryan Ferry, weder von der Erscheinung her - kaum vorstellbar, dass er mit 20 Koffern voller Anzüge auf Tour geht - noch vom Lebensstil. Vor allem aber nicht in Bezug auf die Stimme, die hier so verträumt und bekifft klingt, dass man fast einnickt.
Neben den Keyboards kommen Drumcomputer aus den 80ern zum Einsatz, ganz wie bei Duran Duran, deren Sänger Le Bon zu ihrem Künstlernamen inspiriert hat. Ein quirliger Bass lockert die Stimmung auf, Sängerin Nicole Lawrence trägt Gitarre und Stimme bei. Sie ist auch Co-Autorin des schnellsten Stück des Albums, die Singleauskopplung "Twin".
Die Stimmung des Albums fasst der Refrain des Titeltracks ganz gut zusammen: "I'm alone / Dancing naked / On an eye / Without a head". Zwar ordnet Banhart sein elftes Album als Hymne an das Leben ein, in der es darum geht, "Verzweiflung in Dankbarkeit, Wunden in Vergebung und Trauer in Jubel umzuwandeln", wie er in der Pressemitteilung mitteilt. Doch ist es eher das Zeugnis eines großen Umbruchs, sein erstes Album ohne Musiker und Produzent Noah Georgeson seit 2005 und sein erstes für sein neues Label Mexican Summer, nachdem seine Zusammenarbeit mit Nonesuch endete.
"Mein ganzes Leben ist von Trauer durchzogen. Alles, was ich tue, soll helfen, mit dieser Trauer fertig zu werden", so Banhart. Jetzt geht es erst mal wieder ausgiebig auf Tour, was seine Stimmung hoffentlich wieder heben wird. Für einige Konzerte kommt er im November auch in den deutschsprachigen Raum.
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