laut.de-Kritik
Tanzbar - mit genügend Sliwowitz im Blut.
Review von Giuliano BenassiEine Platte aufzunehmen, erklärt der schlacksige Musiker in einem Interview anlässlich der Veröffentlichung seines vorliegenden achten Albums, finde er interessanter als das Endprodukt. Womit er erklärt, weshalb sich jedes seiner Werke anders anhört, denn der Rahmen ist immer wieder neu. Mal nimmt er mit befreundeten Musikern in einer Waldhütte auf, mal im Studio in der Großstadt. Diesmal frickelte er in der eigenen Wohnung in Los Angeles rum – und entdeckte das Keyboard für sich.
Seit dem Vorgänger "What Will We Be" (2009) sind bereits vier Jahre vergangen, doch knüpft "Mala" fast nahtlos daran an. Mit einem entscheidenden Unterschied: Es ist grooviger als alle Platten, die Banhart bislang aufgenommen hat. Die Aufforderung "Get on the dancefloor" im kurzen Opener "Golden Girls" meint er durchaus ernst.
Wobei eher Solo-Stehblues als Pogo angesagt ist. Zumindest beim verträumten "Daniel". Der dritte Track ist gleich der beachtenswerteste des Albums, nicht nur wegen des Titels "Für Hildegard Von Bingen". "In meinem Kopf spielte sich ein kleiner Film ab, so eine Art Paralleluniversum. Darin wird Hildegard in ihrem Kloster weggesperrt. Eines Tages erhält sie eine Videokassette aus der Anfangsphase von MTV und tickt komplett aus. Sie bricht aus und wird VJane", erklärt Banhart dazu.
Immerhin wissen wir nun, dass die mittelalterliche Mystikerin nicht nur hierzulande Reformhausprodukte ziert, sondern auch in den USA bekannt zu sein scheint. Musikalisch führt das Stück tatsächlich in die frühen 80er Jahre zurück, mit einem karibisch angehauchten Rhythmus, kleinen eingestreuten Keyboard-Melodien und einem trommelnden Bass.
Die Hauptdarstellerin des Albums kommt jedoch aus der Gegenwart. Eines Tages habe die serbische Fotografin Ana Kraš bei ihm geklingelt, um seine Wohnung für ein Magazin abzulichten. Es war Liebe auf den ersten Blick - zumindest aus seiner Sicht. "Willst du mich heiraten?" seien seine erste Worte an sie gewesen, erzählt Banhart in einem Interview. "Sie war stinksauer und ich musste hart arbeiten, um das wieder gut zu machen. Jedenfalls wohnen wir seit jenem Tag zusammen. Die Fotos hat sie immer noch nicht gemacht".
Ein Liebesalbum im konventionellen Sinne ist "Mala" (das auf Serbisch übrigens so etwas wie "Liebling" bedeutet) aber nicht. Im gemeinsamen "Your Fine Petting Duckling" spielt Kraš die Abwartende, die sich von ihrem Freund trennen will, um zu ihren Ex zurückzukehren, den ein bettelnder Banhart verkörpert. Was wie ein Duett beginnt, das an Nancy Sinatra/Lee Hazlewood erinnert, endet als Balkan-Beat, der tatsächlich tanzbar ausfällt. Mit genügend Sliwowitz im Blut. Die letzten, sinnlosen Zeilen sind gar auf Deutsch.
Der stellenweise überraschende Klang kommt auch daher, dass Banhart und sein langjähriger musikalischer Wegbegleiter Noah Georgeson ein Aufnahmegerät verwendeten, das sie bei einem Pfandleiher gekauft hatten. "Darauf wurde ein Haufen früher Hip Hop aufgenommen", so Banhart. "Meine Musik hat damit natürlich nichts zu tun, aber wir fanden es interessant, rauszufinden, wie meine Stücke auf einem Gerät klingen, das unseren Lieblingsrap mitgestaltet hat".
Wer den eigenwilligen Musiker für die folkige Intimität seiner ersten Werke (etwa "Cripple Crow") mag, wird etwas Zeit brauchen, um sich in "Mala" anzufreunden. Mit Ausnahme des instrumentalen "The Ballad Of Keenan Milton", eine Hommage des begeisterten Skateboarders Banhart an den gleichnamigen, 2001 verstorbenen Profi, spielen Gitarren nur eine Nebenrolle.
Typische Elemente haben sich jedoch nicht geändert: Texte auf English und auf Spanisch, die Ablehnung konventioneller Strukturen, Stücke, die ineinander übergehen. Abwechslungsreich auf der einen Seite, zusammenhängend auf der anderen. Welche stimmliche Entwicklung Banhart durchgemacht hat, zeigt er im abschließenden "Taurobolium", auf dem er mit sich selbst im Duett singt.
"Ich weiß nicht, ob ich meine Musik wirklich mag. Auf jeden Fall liebe ich es, sie zu machen". erklärt Banhart, der mittlerweile als graphischer Künstler fast so bekannt ist wie als Musiker. Die Freude am Basteln ist auf diesem Album mehr denn je herauszuhören.
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