laut.de-Kritik
Das Alien-Musical ist sogar für Albert Hall-Boxen zu viel
Review von Manuel BergerEs ist noch gar nicht lange her, da sorgte Devin Townsend mit "The Retinal Circus" für mehr als ausreichende Live-Sättigung. Macht es da überhaupt Sinn, schon wieder mit einem über zweieinhalbstündigen Set anzutanzen? Anhänger dürften das mit einem einfachen Wort beantworten: "Ziltoid".
Das Handpuppenalien mit Strapping-Frisur, dem Devin mittlerweile zwei volle Alben widmete, kommt auf die große Bühne. Sagt ja schon der Name. Doch "Ziltoid Live At The Royal Albert Hall" hat darüber hinaus noch mehr zu bieten. Nachdem die Band das gesamte "Z²"-Album, inklusive großem Trara und Gästeliste (Princess Blataria, Captain Spectacular, Harold The Planetsmasher, knuffige Poozer auf und vor den überdimensionalen Videowänden) auf ihr Publikum losgelassen hat, beginnt der zweite, noch unterhaltsamere Teil des Abends.
Nach einer von Devin kommentierten Pinkelpause starten die nächsten dreizehn Tracks - im Vorfeld von den Fans gewählt. Das By Request-Set überspannt Townsends lange Karriere, beinhaltet neben neueren Hits wie "Lucky Animals", dem Hillbilly-Country "Heatwave" und Alltime-Favourite "Deadhead" so ziemlich die gesamte Bandbreite des Kanadiers. Ihren atmosphärischen Höhepunkt erreicht die Show kurz vor Schluss mit "The Death Of Music". Hier legt Devin die Gitarre aus der Hand, konzentriert sich einzig auf die Vocals und lässt die düster-hypnotische Stimmung des Songs den Rest erledigen.
Den Frack der ersten Hälfte hat die Band längst gegen Baggies, Sweater, Shining- und Maiden-Shirts eingetauscht. Statt Außerirdischen kommt Devins Sohnemann auf die Bühne. Tamtam gibt's trotzdem noch genug. "Earth Day" feiert mit tanzendem Backgroundchor, die Videobühne arbeitet weiterhin auf Hochtouren.
Allein vom Show-Standpunkt aus also keine Gründe für Beschwerden, sondern ausschließlich Jubelanlässe. Im ersten Set Instant Classic "March Of The Poozers", Universal Choir-Hymne "Dimension Z", dazu ein ganzes Arsenal an Gitarren, die Liebhabern das Sabbertuch aufzwingen. Im zweiten Epik-Overkill "Supercrush!"/"Kingdom" und "Ocean Machine: Biomech"-Quartett. Garniert mit schamgefühlloser Weirdo-Würze und ordentlich Kitsch. Der feuchte Traum eines jeden Fans.
Alle anderen dürfte die townsendsche Wall Of Sound jedoch schnell überrollen. Und nicht nur die – leider auch die Klangkulisse. Hier offenbaren sich nämlich nicht ganz unerhebliche Schwächen des Packages: Der Lautstärke-Pegel macht gerne, was er will. Mal laut mal leise. Dazu kommt, was man bereits kennen dürfte, hat man die Chefglatze schon einmal live erlebt: Soundmatsch. Es kommt einfach zu viel aus den Boxen, um noch einen differenzierten Live-Sound zu ermöglichen. Auch auf dem heimischen Fernseher. Nicht dass ein Vergleich zu Studioaufnahmen angebracht wäre – zwei verschiedene paar Schuhe und so – doch diesmal liegen die Unterschiede doch deutlich über dem Normalmaß.
So bleibt am Ende ein etwas zwiespältiger Eindruck hängen. Auf der einen Seite die perfekte Show, auf der anderen doch wesentliche technische Mängel. Als Einstieg in das Omniversum Devin Townsends sei "Ziltoid Live At The Royal Albert Hall" deshalb eher weniger empfohlen. Neulinge greifen besser zu "Retinal Circus" oder eben einem Studioalbum. Fans können zugreifen (ob der Setlist und Gesamtlauflänge von zwei Stunden und vierzig Minuten sicher kein Fehler), sollten aber vielleicht lieber zweimal statt einmal darüber nachdenken. Hey, nächstes Jahr steht mit Casualties Of Cool ja schon die nächste Live-DVD an.
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