laut.de-Kritik
Sind wir nicht alle ein bisschen Devo?
Review von Daniel Straub"Are We Not Men?" fragten Devo im Titel ihres ersten Longplayers ironisch, um gleich darauf selbst die Antwort zu geben: "We Are Devo!". Damit war ein Schlachtruf in die Welt gesetzt worden, der auch noch Jahre später durch die Korridore der Popmusik hallt und den Fans selbst 1996, als sich Devo für zwei Konzerte beim Lollapalooza-Festival wieder zusammen fanden noch locker und voller Inbrunst über die Lippen kommt. Jener Auftritt findet sich auf der nun erschienenen DVD "The Complete Truth About De-Evolution & Devo Live", die daneben auch noch die gesammelten Video-Produktionen der Band auf zwei Silberlingen vereint.
Die Lollapalooza-Auftritte in der Bay Area-Metropole San Jose sowie im beschaulichen Irvine, einem Vorort von Los Angeles in ummittelbarer Nachbarschaft des Disney Land gelegen, waren das erste Lebenszeichen der kontroversen Band, seit sie sich 1991 scheinbar für immer von der Bildfläche verabschiedet hatte. Zu den Original-Bandmitgliedern Mark und Bob Mothersbaugh sowie Bob und Gerald V. Casale stieß zudem Josh Freese, der auch schon bei A Perfect Circle, The Vandals, Suicidal Tendencies, Rob Zombie und Guns 'N' Roses am Drumkit saß.
Mit Ausnahme ihres jugendlichen Drummers geben sich Devo bei ihrem Auftritt im Rund des Amphitheaters von Irvine Meadows ganz traditionell. Wie zu ihren besten Zeiten Ende der 70er Jahre schälen sie sich im Laufe ihrer Show aus ihren schreiend-gelben Bühnen-Overalls, um am Ende des Konzerts in schwarzen T-Shirts und Shorts im Gleichschritt zur Musik zu hüpfen.
Dazwischen haben Devo keinen ihrer großen Hits ausgelassen: "Whip It" fehlt genauso wenig wie "Mongoloid", "Satisfaction" oder "Jocko Homo". Da geraten selbst die zahlreich vertretenen Metallica-Fans in Verzückung und schmettern den nicht mehr ganz jungen Herren von Devo auf die Frage "Are We Not Men?" ein vollkehliges "We Are Devo!" entgegen. Leider ist der ganze Spuk nach elf Songs vorbei. Einige kurze Interviewschnipsel mit kryptischen Äußerungen runden das Reunion-Paket ab.
Die erste DVD blickt mit 19 Videos auf die Karriere von Devo zurück und umspannt damit gleich drei Dekaden. Von der Gründung der Band in Ohio im Jahr 1972, dokumentiert in grobpixeligen Schwarz-weiß-Schnipseln, bis zu ihrer vorläufigen Auflösung im Jahr 1991, als sich bereits Acid-House und Techno-Grooves vorsichtig ins Soundgewand von Devo eingeschlichen hatten, reicht die umfangreiche Retrospektive.
Vor allem die Video-Produktionen von Devo aus den späten 70er und frühen 80er Jahren, als das Musikfernsehen noch nicht erfunden war und bebilderte Songs eine Sache der Avantgarde waren, faszinieren auch noch zwanzig Jahre nach ihrer Entstehung und können sich leicht mit dem tagtäglichen MTV-Einerlei unserer Tage messen. Kurioserweise waren es ausgerechnet Devo-Clips wie "Whip It" oder "Freedom Of Choice", mit denen der Sender 1981 seinen Betrieb aufnahm. Gut angefangen, stark nachgelassen.
Ein Spruch, der sich auch auf Devo übertragen ließe. Waren ihre frühen Videos sowohl musikalisch, als auch optisch ihrer Zeit weit voraus, so lassen sich spätestens ab dem '84er Album "Shout" immer stärkere Abnutzungserscheinungen beobachten. Trotzdem bleibt "The Complete Truth About De-Evolution & Devo Live" ein wuchtiges Dokument, das den Werdegang der kunstsinnigen Musiker von den frühesten Tagen mit einer Fülle von Videoclips, Coverartworks, Merchandise, Interviews und dem '96er Liveauftritt eindrucksvoll nachzeichnet. "Are We Not Men?" - "We are all Devo!"
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