laut.de-Kritik

An den richtigen Stellen weghören, beim Cover wegschauen.

Review von

"Hässlicher! Ich will es hässlicher!" - Devon, bist du sicher? "Es soll aussehen wie von einem Grundschüler gemalt, der dafür dann in psychiatrische Behandlung muss und dessen Stiefvater vom Jugendamt richtig genau unter die Lupe genommen wird!" Mission accomplished, Devon Welsh - grässlichere Cover als das von "Come With Me If You Want To Live" gibt es nicht viele.

Dabei stand Welsh so lange für zarte Schönheit, erst als Teil der auf dem Höhepunkt ihres Schaffens (und angesichts der späteren Missbrauchsvorwürfe gegen Duo-Partner Matthew Otto und seiner zuletzt veröffentlichten, faden Musik als Mind Bath aber gerade noch rechtzeitig) aufgelösten Majical Cloudz, deren Alben immer noch zum Olymp des gefühlvollen Pop gehören. Zeitlose Schönheiten wie "So Blue" sprossen aus jedem Werk der beiden Kanadier und verliehen ihnen völlig zurecht Kultstatus.

Das führte Welsh 2019 auf dem Soloalbum "True Love" fort, und auch die noisigen Ausflüge als Produzententeil des Duos Belave mit seinem ersten Majical-Compagnon Matthew E. Duffy gaben keinen ernsthaften Hinweis darauf, dass Welsh lieblicher Schönheit satt sein könnte. Doch nun nicht nur dieses Cover samt seiner Terminator-Hommage und die zugehörigen seltsamen Pressefotos, sondern auch der Opener "You Can Do Anything". Selten hörte sich ein Album so sehr zu Hause aufgenommen an, alles schreit nach dem Willen zu diffizilem Gehabe. Denn die Grundstruktur der Single ist so komplex gar nicht: Sie wird nur möglichst rumpelnd umgesetzt.

"That's What We Needed" ist die zweite Single und schlicht ein "mess", wie der Anglophone sagt. Welsh pendelt zwischen seinem alten Selbst und einem sehr atemlosen, gepresstem Shouting über harten Drums und einem Synthie, der dann doch wieder an sein früheres Schaffen erinnert. Welsh fühlt sich förmlich gefangen an. Die miese Produktion beschränkt sich irrerweise auf die Singles und das im Demo-Format verharrende "Before The Moon Was Full", der Rest ist auf gewohnten Level - nicht Hochglanz, aber vernünftig.

Der zweiten Single folgt mit "Heaven Deserves You" ein Stück, das (auch textlich) wunderbar auf ein Cloudz-Album gepasst hätte und um Welten besser ist als die beiden Singles. Songs namens "Face To Face" gibt es nach Daft Punk nun mindestens zwei sehr gute, wobei Welshs Lied eine tolle Balance zwischen Traum und Sehnsucht, zwischen Schwelgen und Vorantreiben findet. Auch "Twenty Seven" überzeugt in seinem repetitiven Sog. Der Closer "Alone" ist gar einer der wärmsten Songs, an denen Welsh je mitwirkte. Verlernt hat der Québecois sowas von gar nichts, seine ganze doofe Pose hätte er sich sparen können.

Das frühere Niveau erreichen aber nicht alle Songs, die sich nach Cloudz anhören. Die Strophe bei "Stranger" ist ein queres Durcheinander, "Brother" eines der immer wieder vorkommenden Lieder, in denen sich Welsh zu sehr in eine Idee oder Figur verliebt und dann dreieinhalb Minuten nicht vom Fleck kommt. Das sind aber wenige Makel, zumal es eben doch neue Songs gibt, die weder zu den Cloudz noch zu den seltsamen Singles passen und ganz hervorragend sind: "Fooled Again" schielt Richtung Indie, der allein durch den langsamen Vortrag des Sängers eine Art blütenreicher Shoegaze wird.

Auf dem selbstgeißelnden, auch mit schnelleren Popstrukturen arbeitendem "Best Laid Plans" zeigt sich eindrücklich, wie viel Magie Welsh in seiner Stimme trägt; es ist fast schon eine Sauerei, wie unfair diesem Menschen Talent zuteil wurde. "Brother" ist Quatsch, das gilt für "Sister" aber nicht, eine Art Slow Space Pop, die genau so gut ist, wie sich das Genre anhört. Der alte Hund kann nicht nur die alten Tricks weiterhin sehr gut, er hat auch noch neue gelernt, die er hoffentlich unbedingt weiterhin verfolgt. "Come With Me If You Want To Live" ist ein sehr gutes Album, man muss nur an den richtigen Stellen weghören.

Trackliste

  1. 1. You Can Do Anything
  2. 2. Stranger
  3. 3. Fooled Again
  4. 4. That's What We Needed
  5. 5. Heaven Deserves You
  6. 6. Face To Face
  7. 7. Brother
  8. 8. Twenty Seven
  9. 9. Best Laid Plans
  10. 10. Before The Moon Was Full
  11. 11. Sister
  12. 12. Alone

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