laut.de-Kritik

Lemonbaby auf Solopfaden.

Review von

Diane Weigmann, Ex-Frontfrau der Lemonbabies, wandelt auf Solopfaden. Nach mittlerweile 15 Jahren im Popgeschäft erhielt sie kürzlich wieder einen Newcomer-Preis; auf "Diane - Das Album" rückt sie sich selbst, ihren Alltag, ihre Gedanken- und Gefühlswelt sowie ihre Akustikgitarre ins Zentrum des Geschehens.

Ich wähle bewusst "Geschehen", nicht etwa "Aufmerksamkeit" oder "Interesse" - die Vorstellung, irgendjemand könnte an Aufwach- und Einschlafszenarien oder an bahnbrechenden Erkenntnissen vom Kaliber "Die Welt Dreht Sich" tatsächlich interessiert sein, fällt mir zugegebenermaßen schwer. Diane beschreibt Stimmungen und Emotionen, schon klar. Allerdings wären derartige Ergüsse im (verschlossenen!) Tagebuch einer Dreizehnjährigen besser aufgehoben. Spannend ist anders.

Die Single "Das Beste" zielt zweifellos auf die Eierkuchenromantiker: Mir persönlich ist die Vision von lebenslänglicher Zweisamkeit ja eher unheimlich. Sei's drum, die Welt ist bunt durch viele Unterschiede. Ganz überzeugt scheint mir Frau Weigmann allerdings auch nicht zu sein. Derart viele Wiederholungen ("das Beste, Beste, Beste, was passieren kann", und dann gleich das "schönste, schönste Leben, das man leben kann" - auch "ein Leben lang" übrigens), das ist schon reichlich dick aufgetragen. Wären in der Popmusik Illusionen nicht ein riesiger Teil des Kuchens, es käme der Verdacht auf, hier rede sich jemand etwas ein. Wie auch immer: Als Singleauskopplung ist "Das Beste" jedenfalls gut gewählt. Zum einen zieht der griffige Titel, zum anderen handelt es sich in der Tat um ein für das Album repräsentatives Stück: Wem dieses Appetithäppchen schmeckt, der wird auch mit dem Rest keine Probleme haben.

Durchgehend dominiert die akustische Gitarre den Sound. Frau Weigmann spielt sie selbst, mal langsamer, mal schneller, ohne jedoch jemals den Pop Richtung Rock zu verlassen. Unkomplizierte Songstrukturen, einfache Melodien, dazu gelegentlich Streicher und Keyboards, auch Flöten (wie in "Zeig Dich"), ein Glockenspiel oder, exotischer, Sitar-Klänge: Fertig ist ein Album, das das Etikett "langweiliger Gitarrenpop" in jeder Hinsicht verdient hat. Die Songs klingen in einer Weise beliebig, dass sie einem schon beim ersten Hören bekannt vorkommen - und das nicht nur im Fall "Seltsam", das unüberhörbar "No Woman No Cry" abkupfert.

Gesanglich wirkt Diane sehr sicher. Dass fehlendes Stimmvolumen mangelnden Nachdruck zur Folge hat, schadet erstaunlicherweise keineswegs, im Gegenteil: Das Mädchenhafte in der Stimme verleiht ihr eher eine gewisse Authentizität. Im Übrigen verzeihe ich Diane das im Booklet wie auf ihrer Webseite penetrant verwendete Hintergrundrosa, das sich schmerzhaft mit ihrer Haarfarbe beißt - aber nur, weil sie gleichzeitig eine Stiefelkollektion zur Schau trägt, die Schuhfetischisten vor Neid erblassen lässt.

Die Texte allerdings, die Texte verzeihe ich nicht! "Von Zeit zu Zeit geht die Leichtigkeit des Seins schon mal verloren." Stimmt. Besonders wenn man sich gleich danach in "Hast Du Kurz Zeit?" zum dreitausendsten Mal eine "Gib mir mein Herz zurück"-Bettelei anhören muss, die eigentlich schon abgefrühstückt war, als noch Grönemeyer und nicht Oli P die Flugzeuge im Bauch hatte. Nein, dafür hab' ich keine Zeit. Dafür möchte ich keine haben. "Was Ist Schon Perfekt?", eine Bestandsaufnahme in einer Beziehung unter Geschwistern, wirft bei mir des weiteren die Frage auf, ob die Muppet-Show-Loge mit den beiden Senioren möglicherweise in meinen Kopf umgezogen ist.

Diane: "Es war nicht immer eitel Sonnenschein."
Aus der Loge: "Ach."
Diane: "Doch ist das heute noch wichtig?"
Loge: "Nein."
Diane:" Vielleicht sollte es so sein?"
Loge: "Vermutlich."
Diane: "Die perfekte Welt existiert nicht."
Loge: "Stimmt! In einer perfekten Welt müsste man sich nicht solchen banalen Mist anhören!"

(Lacher vom Band.)

Zu allem Überfluss stellt Diane zum Schluss auch noch die dämlichste Frage von allen: "Schläfst Du Noch?" Was soll man denn darauf bitte antworten? Mit einem "Ja" untergräbt man seine eigene Glaubwürdigkeit. Die Option "Ich würde gern, aber es singt mir ein Klampfe spielendes Mädchen ins Ohr" kommt vermutlich auch nicht gut an ...

Diane (überrascht): "Hey, Du schläfst ja noch!"
Loge: "Kleine, wenn der Kerl sich bis jetzt nicht gerührt hat, ist er schon tot!"

Trackliste

  1. 1. Freitag Im Mai
  2. 2. Die Welt Dreht Sich
  3. 3. Du Kannst Alles
  4. 4. Von Zeit Zu Zeit
  5. 5. Hast Du Kurz Zeit?
  6. 6. Ich Hab Dich Weinen Gesehn
  7. 7. Seltsam
  8. 8. Zeig Dich
  9. 9. Das Beste (Original Version)
  10. 10. Was Ist Schon Perfekt?
  11. 11. Schläfst Du Noch?

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Diane

Zuweilen werden Auszeichnungen nach seltsamen Kriterien vergeben: Im Mai 2005 ehrt Radio Bayern 3 Diane Weigmann als "Newcomer des Monats". Newcomer.

Noch keine Kommentare