laut.de-Kritik
Tastender Schritt in eine düstere Zukunft.
Review von Emil Dröll"Dead End Dreams" – das stand schon vor 23 Jahren bei Diary Of Dreams im Raum. In "Panik?" vom 2002er-Album "Panik Manifesto" tauchte die Zeile erstmals auf, jetzt ist sie Programm. "Dead End Dreams - Chapter 1" heißt der Auftakt einer Reihe von Mini-Alben, die laut Band so lange fortgesetzt werden sollen, bis die Geschichte auserzählt ist. Ein Konzept also – und eines, das gleich zu Beginn deutlich macht: Diary Of Dreams sind noch immer dort zu Hause, wo Dunkelheit, Sehnsucht und Pathos ineinanderfließen – im Guten wie im Schlechten.
"Kein Allein" eröffnet in klassischer Dark Rock-Manier. Gitarren, Schwere, Atmosphäre – alles da. Doch wo viele Genrevertreter zwischen pseudomystischem Getöse und lyrischem Baukastenrock hängenbleiben, gelingt Adrian Hates und seiner Band der Spagat: Ernsthaftigkeit trifft auf Komposition, Pathos auf Präzision. Organische Instrumente verschmelzen mit kühlen Synths, als wäre das schon immer so gedacht gewesen. Das klingt nicht neu, aber erstaunlich lebendig.
"The Chemistry Of Pain" beginnt mit einem Intro, das auch als Soundtrack zu einem düsteren Fantasy-Epos taugen könnte, zieht dann die vertrauten Dark Wave-Register und baut sich Schicht um Schicht auf. Diary Of Dreams bleiben hier ihrem Markenzeichen treu: Melancholie in Zeitlupe, durchschimmert von digitalem Glanz.
Mit "Tomorrow's Past" kommt der erste Wackler. Der Song kippt in Richtung Goth Rock-Routine, klingt mehr nach Mono Inc. als nach Diary Of Dreams. Der Refrain will groß, endet aber glatt. Eine Spur zu viel schwarze Szene, zu wenig echte Tiefe. Zum Glück fängt "Hurt People Hurt People" die Stimmung wieder auf: ein Song, der sich in die Elektronik zurückkämpft, zwischen Verletzlichkeit und kalter Mechanik. Ein Lichtblick – und vielleicht der Song, der am ehesten an alte Stärken erinnert.
"Dead To Me" leidet etwas an seiner eigenen Intensität. Adrian Hates singt stark, keine Frage, aber der konstante Klage-Ton schlägt irgendwann aufs Gemüt. Dabei zeigt gerade das Outro, wie viel Ausdruck in dieser Stimme steckt – fast Corey Taylor-haft in seiner rauen Bruchkante. "Iamnowhere" schließlich beginnt mit einem Piano-Motiv, baut sich auf, schwillt an – und bleibt doch seltsam blass. Zu viel Klang, zu wenig Gefühl.
Am Ende steht ein typisches Diary Of Dreams-Erlebnis: ein Wechselbad zwischen Gänsehaut und Schulterzucken. Hier ein Moment, der alles einfängt, was Dark Wave so besonders macht; dort ein Song, der klingt, als wäre er aus dem Regal Gothrock-Standard. Und trotzdem: Man glaubt ihnen jedes Wort. Diese Band meint es ernst, sie macht das mit Überzeugung, nicht mit Kalkül. "Dead End Dreams - Chapter 1" ist kein durchgeplanter Neustart, sondern ein tastender Schritt in eine düstere Zukunft. Nicht makellos, aber ehrlich – und genau das rettet die Träume vor dem Dead End.


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