laut.de-Kritik

Weg vom Alterswerk, hin zu mehr Lockerheit.

Review von

Die Regierung um Sänger Tilman Rossmy fand 2006 in neuer Besetzung für Livekonzerte wieder zusammen. Seit 2017 veröffentlichte die Band im verlässlichen Zweijahrestakt auch wieder Alben. Mit "Nur" meldet sie sich pünktlich wie die Tagesschau zurück.

Im Opener "Nichts Ist Wirklich" klingen die Akkorde dahin geschrammelt und der Gesang dahin genuschelt, während die Drums den Song kraftvoll nach vorne treiben. Dazu gelingen Rossmy erinnerungswürdige Zeilen wie "nichts ist wirklich, alles andere ist nur ein Kommen und Gehen". In "Wenn Die Liebe Ruft" stürzt er sich zu kaputten Dance-Punk-Klängen sowie schrägen Ringmodulator-Tönen, unterlegt mit Schnipseln einer DDR-Hörspielgeräusche-Schallplatte, direkt in die Liebe hinein.

In "Die Liebe, Die Niemals Kommt" besingt er "die Liebe", die immer da ist und deshalb niemals "kommt", also nicht die Beziehungs-Liebe, und gibt dabei zu leichtfüßigen Sounds und sanften Frauenchören den Udo Lindenberg. "Nirgendwo Hinzugehen" ist ein Singer/Songwriter-Stück, durchzogen von akustischen Klängen und hellem Piano, während "Licht" eine eher bluesrockige Nummer darstellt, in der man sich textlich "auf einer Straße in Duisburg" wiederfindet und die sehr an Keimzeit erinnert.

Jedenfalls hat das Album, wie auch schon die Vorgänger, eine eigenwillige 90er-Jahre-Soundästhetik, die wohl nur eingefleischte Indie-Nostalgiker hinter dem Ofen hervorlocken dürfte. Dafür deckt die Platte einige unterschiedliche Stilistiken innerhalb der alternativen Musik und darüber hinaus ab.

"Kein Grund Glücklich Zu Sein" handelt zu gutgelaunten Indie-Rock-Tönen von ersten Trips, heftigem Liebeskummer und einem Song von "Jackson Braun", wie Tilman Rossmy Jackson Browne ausspricht, der zwar überhaupt nicht in die traurige "Situation" gepasst hatte, aber sämtliche Sorgen vergessen ließ. "Stop" lässt mit seinen schweren, kraftstrotzenden Schlagzeugklängen, den verfremdeten Spoken Words und den opulenten Keyboards an Led Zeppelins "Kashmir" denken.

"Indien" wechselt zwischen zurückgenommenen Parts und rockigen Ausbrüchen hin und her. "Die Tür" bildet eine eher existenzialistische und verspielte Nummer, die motorische Krautrock-Rhythmen und postpunkige Einsprengsel besitzt. Am Ende kriegt man in "Wo Ist Die Liebe Jetzt" noch ein paar shoegazige Gitarrenausbrüche geboten. Textlich hält Rossmy dabei sämtliche Fragen offen.

Letzten Endes fällt "Nur" zwingender und direkter als der Vorgänger aus, weg vom Alterswerk, hin zu mehr Lockerheit, was zum Großteil auch auf die Produktion von O.P.A.L., der in der Vergangenheit schon für The Notwist und International Music hinter den Reglern saß, zurückzuführen ist. Das ungebrochen Schnoddrige, das man nicht unbedingt mögen muss, bleibt allerdings.

Trackliste

  1. 1. Nichts Ist Wirklich
  2. 2. Wenn Die Liebe Ruft
  3. 3. Die Liebe, Die Niemals Kommt
  4. 4. Nirgendwo Hinzugehen
  5. 5. Licht
  6. 6. Kein Grund Glücklich Zu Sein
  7. 7. Stop
  8. 8. Indien
  9. 9. Die Tür
  10. 10. Wo Ist Die Liebe Jetzt

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