laut.de-Kritik
Deutsch-argentinische Freundschaft und eine Tour durch Wohnzimmer, Arztpraxen und Fischkutter.
Review von Uli BrechtoldIn diesem Jahr feiern die toten Hosen ihr 30-jähriges Bandjubiläum, wobei die Geburtstagssause bereits mit ihrem Spätwerk "Ballast Der Republik" begann. Bei so viel Altbier und Geburtstagskuchen vergisst man schon mal, dass die Düsseldorfer auch in Argentinien seit 20 Jahren wie The Ramones vergöttert werden. Eine Aufzeichnung des Konzertes vom 15. September 2012 in Buenos Aires dokumentiert die langjährige deutsch-argentinische Freundschaft.
Neben zahlreichen Argentiniern pilgerten auch Fans aus Deutschland und Brasilien in die Hauptstadt. Der weite Weg wurde belohnt. Als die Band die Bühne betritt, explodiert das Publikum in Sekundenschnelle. Bei Songs wie "Liebesspieler", "Auswärtsspiel" und "Du Lebst Nur Einmal" stellt man schnell fest, dass an diesem Abend niemand einen Kompromiss schließen möchte. Deshalb ballern die Hosen hauptsächlich altes, schnelles und lautes Material um die Ohren der Meute. Keine Ballade und lediglich vier Songs vom Album "Ballast Der Republik" schaffen es ins Programm.
Im Gegensatz zu gewöhnlichen Jubiläumsfeiern dreht sich das Karussell hier nicht um die Geburtstagskinder, sondern um das sagenhafte Publikum in Buenos Aires. Campino stellt dies folgendermaßen richtig: "Scheiß auf die Musik. Seit 20 Jahren kommen wir hierher, um euch laut singen zu hören. Wir wollen nicht singen. Wir wollen euch singen hören."
Sogar bei einem langsameren Song wie "Altes Fieber" gerät das Publikum außer Rand und Band und verschlingt den Sänger mitsamt seiner Handkamera, als er einen Sprung ins Menschenmeer wagt. Anweisungen für den Tanz zu "Hang On Sloopy" nimmt das Volk dann bereitwillig entgegen, obwohl das Publikum bei Titeln wie "Liebeslied", "Paradies" oder "Hier Kommt Alex" selbstbestimmend das Mikrofon an sich reißt.
Da an der Audiospur wenige Patzer und schiefe Töne nicht retuschiert wurden, klingt das gesamte Konzert sehr roh und nach einem authentischen Live-Event. Das Bild erscheint in Farbe und wechselt immer wieder zu Schwarz/Weiß-Pigmentierung über.
Zeitzeugen aus der argentinischen Schaffensphase der toten Hosen, wie beispielsweise Attaque 77 oder C.J. Ramone gesellen sich zum Spektakel hinzu, wobei letzterer Herr dem The Clash-Cover "Should I Stay Or Should I Go" mit seinem Bass beiwohnt. Obwohl Campinos spanische Sprachkenntnisse zu wünschen übrig lassen und er bei "Uno, Dos, Ultraviolento" und "Dias Como Estas (Tage Wie Wiese)" spicken muss, steht die Kommunikation mit dem Publikum wie eine Eins.
Nachdem selbiges sich selbst und ihre Lieblingsband ausgiebig feierte, überreichen den fünf Punkern aus der Eifel Vertreter der Stadt Urkunden für eine Art Ehrenmitgliedschaft in Buenos Aires und werden mit den Worten "Punk ist nicht tot, sondern ab heute ist es eine Ehre" in die Verlängerungsphase geschickt. Was läuft nur hierzulande falsch? Wo bleibt das Bundesverdienstkreuz, Herr Bundespräsident? Nach zwei Stunden Tumult, Chaos und einer verkehrten Vorstellung von einem Jubiläumskonzert bleibt "You'll Never Walk Alone" die Konstante eines Hosen-Konzertes.
Als ob der argentinische Wahnsinn nicht genug wäre, dokumentiert die zweite DVD die "Magical Mystery"-Tour, die die Hosen durch 16 Wohnzimmer und ähnliche absurde Räume in fünf verschiedenen Ländern führte. Ob auf dem Kutter in Hamburg, in der Urologie in Ingolstadt oder bei der freiwilligen Feuerwehr in Gäufelden: Die Düsseldorfer geben selbst für ein kleines Publikum ihr letztes Hemd. Es versteht sich von selbst, dass im Krankenhaus "Schwarzwaldklinik" durch die Pforte schallt und die Schwestern standesgemäß zur morgendlichen Visite die Bandmitglieder aus dem Krankenbett schmeißen.
In München zählt sich Jens Jeremis als ehemaliger FC Bayern-Profifußballer zu den Glücklichen und überlasst Campino kurzerhand seinen Keller. Als bekennende Fortuna-Fans zeigen die Düsseldorfer mit "Bayern" standesgemäß Flagge und ehren ihren heißgeliebten Verein.
Nachdem die Band zwischenzeitlich Island einen Besuch abstattete, ungarische Freundschaften erneuerte und in Wien das Burgtheater gegen eine Wohnung eintauschte, führt es ihre Mitglieder schließlich in ihre Heimatstadt Düsseldorf. Dort greift der Spuk sogar auf vorübergehende Passanten über. Letztendlich endet hier aber die Reise und hinterlässt Eindrücke von durchgeknallten Fans und einer Combo, die ihre Vergangenheit in den Wänden ihrer treuen Begleiter immer wieder neu aufleben lässt.
3 Kommentare
Also das it Fischkuttern etc erinnert mich stark an die White Stripes .
es gbt ohnehin viel zu wenig konzerte auf kuttern und koggen
Musik für heruntergekommene Trunkenbolde
Herzlichst
Ihr Amtsvorsteher