laut.de-Kritik
Ist Schnappi eine deutliche Nashornlänge voraus.
Review von Robin SchmidtSido hat sie bereits vor Jahren abgelegt, Cro wechselt sie in den letzten Monaten wie wild durch und Dikka holt eine gänzlich neue Form aus ihr heraus: die Rapper-Maske. Im Nashornkostüm – inklusive grauem Trainingsanzug und dicker Goldkette – erlebt Dikka seit einigen Wochen musikalische Abenteuer, bei denen ihm sowohl kleine als auch einige große Fans im Kinderzimmer oder auf der Autofahrt gespannt zuhören dürften.
Unter der Nashornmaske steckt der Berliner Rapper Sera Finale, der in den 2000er-Jahren im Umfeld von Aggro Berlin mit "Serafiniert" und "Die Nächste Kugel Im Lauf" zwei Soloplatten veröffentlichte und sich anschließend als Songwriter für Künstler wie Udo Lindenberg, Helene Fischer oder Culcha Candela einen Namen machte.
Nun rappt Sera Finale als Dikka und tobt sich als Nashorn auf seinem ersten Album "Oh Yeah!" in kindgerechter Art und Weise aus. Die als Steffi Storch vorgestellte Figur leitet im "Intro" die elf weiteren Songs animalisch ein, bevor Dikka mit seinen Freunden – dem Bär, dem Löwen oder den Hühnern – um die Häuser zieht und "Party Im Zoo" macht. In der Rap-Welt der Erwachsenen würde man dieses Stück als klassischen Rapresenter verbuchen. In dieser Form funktioniert es auch für die Kinder.
Weiter geht es mit dem flotten "Kann Ich allein", einer Nummer, die Mädels und Jungs augenscheinlich bestärken soll, eigene Ziele, Projekte und Gedanken zu verfolgen und sich nicht immer im Leben den Wünschen der Eltern zu beugen. Einen sprachlichen Kniff bekommt das Ganze durch Zeilen wie: "Ich kann Haare putzen, Zähne kämmen / Im Sommer durch den Regen rennen". Dikka spielt an dieser Stelle mit Wörtern, um die junge Zielgruppe für Sprache zu sensibilisieren.
Generell führt das Nashorn auf der Platte einen Bildungsauftrag im Schilde. In "Pommes mit Mayo" referiert Dikka in den Strophen über gesunde Ernährung und Lebensmittel. In der Hook gibt er den Kindern allerdings mit auf den Weg, dass man auch mal über die Stränge schlagen darf. Um familiäre Beziehungen geht es in "Superpapa". In "Grau" bekennt Dikka dazu Farbe, dass man nicht jedem Trend hinterherlaufen muss ("Meine Lieblingsfarbe ist grau / Ich pfeife auf rosa und blau / genau, genau, genau").
Ob es ein Lied mit dem Namen "Kakka" gebraucht hätte? Die Message dahinter wird jedenfalls beim Hören klar: Aufklärung über den Verdauungsvorgang im menschlichen Körper. Man kann Dikka eine deutliche Nashornlänge mehr an Intelligenz, Witz und Musikalität abgewinnen als seinem Krokodil-Kollegen Schnappi.
Dikka versucht mit seinen Raps aber nicht nur die Kleinen für Hip Hop mit sinnvollen Texten zu begeistern. Auch deren Eltern, die in ihrer Jugend möglicherweise mit dieser Musik aufgewachsen sind, dürfen in der Vergangenheit schwelgen. "Rolle Durch Den Kiez" frischt gleich in mehrfacher Hinsicht die grauen Zellen auf. Der Titel erinnert an Haftbefehls "Rolle Mit Meim Besten". Dikka droppt zudem die berühmte Line "Bow wow wow yippie yo yippy yay" von Lil Bow Wow.
Als wäre das noch nicht genug, liefert er mit Zeilen wie "Mein Sattel, mein Lenker, mein Rahmen, meine Bremsen, meine Kette, meine Klingel, mein Rad / Meine Felgen, meine Reifen, mein Licht, meine Speichen und ich fahre damit so lange wie ich mag" eine Hommage an Sidos "Mein Block". Einen neuen Sido-Vers gibt es obendrein. Allerdings nicht auf besagtem Stück, sondern unter dem Namen Siggi auf "Superpapa".
Die Beats sind nicht extra für Kinder zurechtgezimmert worden, sondern allesamt kopfnickerlastig und in Oldschool-Manier gehalten. Dafür zeichneten FNSHRS (Paul NZA, Cecil Remmler, Marek Pompetzki) und The Krauts verantwortlich. Der Sound von "Ich Geh Nicht Ins Bett" ist mit einem Twist ausgestattet und an "Old Mac Donald Had A Farm" angelehnt. Der Ohrwurm ist hier einkalkuliert.
Dikkas einzige Ballade markiert gleichzeitig auch das Ende von "Oh Yeah!". Für "Bis Zum Mond" hat sich das Nashorn LEA ins Boot geholt. Gemeinsam erzählen die beiden eine rührende Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen. Das dürfte sowohl Klein als auch Groß gefallen.
12 Kommentare mit 9 Antworten
Sera war so unfassbar öde und medioker damals, dass ich nicht vorstellen kann, dass er 15 Jahre später der Shit sein soll... Kann jmnd berichten?
Zudem: Ist die Line nicht von Snoop?
ungehört 5/5 weil sich das so knuffig anhört.
Ist halt Musik für Kinder, sollen die entscheiden, ob das gut ist.
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Ich gönne Sera jeden Erfolg, egal womit. Er war halt zur falschen Zeit am falschen Ort.
Zu dem Album:
Den meisten Kindern geht es um Spaß, da sind Texte und Beat eher egal. Meine Tochter z. B. mag das Album und ich bin froh, dass ich mir nicht zum 100x "Kopf, Schulter, Knie und Fuss" anhören muss.