laut.de-Kritik

Das "Twilight" des Jazz.

Review von

Schon wieder ein YouTube-Phänomen. Justin Bieber 2.0? Musikalisch: ja. Technisch: definitiv nein.

Mit Neuinterpretationen bekannter Hits erspielten sich Dirty Loops eine große Netzfangemeinde. Insbesondere im asiatischen Raum eilen die drei Schweden von Erfolg zu Erfolg. Einige Coverversionen sind auch auf dem ersten Longplayer "Loopified" noch enthalten. Sie gehören ja irgendwie zur Identität der Band. Den Großteil ihrer Tracks schreibt das Trio jedoch mittlerweile selbst.

Die Ausrichtung ist trotzdem dieselbe. Statt Lady Gaga-Cover gibts jetzt eben eigene Mainstreamattacken. Das fängt beim Text an ("Hit me / Hit me baby / I'm going crazy") und hört bei Timberlake-Gesang auf. Pulsierende FX-Wände tun ihr Übriges.

"Sexy Girls" setzt lyrisch sogar noch eins drauf: "Sexy girls in the club / I'll be whatever you want me to be", "The night is young and the party's on me”, Hey ladies put the Goose on ice / Hot bodies in the neon light". Ballermann-Party, here we come!

Es folgen noch ganze zehn reguläre und zwei Bonussongs, darunter selbstverständlich die obligatorische Softie-Kitschballade. Passend betitelt "It Hurts". Ein bombastisches Herzschmerz-Szenario im Eurovision-Format. Sänger Jonah Nilsson zieht alle Register und bringt sogar die Boxen zum Heulen.

Dabei sind Dirty Loops keineswegs musikalische Analphabeten, die eine Plattenfirma notdürftig auf Marketingkurs getrimmt hat. Die Jungs haben tatsächlich einiges an ihren Instrumenten drauf. Technisch hoch anspruchsvolle, jazzig-funkige Keyboard-, Schlagzeug- und vor allem Bassläufe finden sich in nahezu allen Stücken.

Die Fertigkeiten der drei Musiker sind wirklich allererste Sahne. Aber warum missbrauchen sie die für derart austauschbaren Müll? Völlig emotionslos rauschen die Tracks am Hörer vorbei, auf Radioairplay und MTV gebügelt. One Direction von Typen, die ihre Instrumente beherrschen und Jazz mögen. Vielleicht wird man gerade deshalb den Eindruck nicht los, einem geschickt kalkulierten Chartmanöver zu lauschen.

Dementsprechend gibt es dann zum Abschluss das zweite Bieber-Cover der Dirty Loops zu hören. "Baby" haben sie in YouTube schon verbraten, jetzt kommt "Roller Coaster". Komischerweise wird einem von dieser Achterbahnfahrt weniger übel als vom Rest des Albums. Von "gut" ist aber freilich auch dieser Song ziemlich weit entfernt. Ganz ehrlich? An die stimmliche Vielfalt Nilssons kommt er zwar nicht einmal annähernd heran, doch Justin ist im Vergleich zu dem, was auf "Loopified" geboten wird, die kleinere Nervensäge.

Den Gnadenpluspunkt gibt es für die Instrumentalpassagen, die Dirty Loops in ihre Lieder zaubern und die in der heutigen Poplandschaft tatsächlich einzigartig sind. So gerne man deshalb vielleicht schreiben würde, die Schweden seien die Dillinger Escape Plan des Pop – "Twilight" des Jazz trifft es wohl eher.

Trackliste

  1. 1. Hit Me
  2. 2. Sexy Girls
  3. 3. Sayonara Love
  4. 4. Wake Me Up
  5. 5. Die For You
  6. 6. It Hurts
  7. 7. Lost In You
  8. 8. Take On The World
  9. 9. Accidentally In Love
  10. 10. The Way She Walks
  11. 11. Crash And Burn Delight
  12. 12. Roller Coaster
  13. 13. Circus
  14. 14. Rolling In The Deep

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9 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Es schmerzt mir sehr das zu schreiben, da ich wirklich hohe Erwartungen hatte, aber ich stimme dieser Rezension voll zu. Sie sollten lieber wieder covern und meinetwegen so mit Justin Bieber-Songs gute Musik machen.

  • Vor 10 Jahren

    Wieso? "Das Album ist doch eine schöne Hommage an die 80er. Da sind alle Superlativen vereint: Stevie Wonder, Chicago, Earth Wind and Fire und David Foster (!). David Foster - ! David Foster hatte seine Nummer Einsen doch auch in der Zeit mit Chicago und Earth Wind and Fire und Co. Er hat nun alles Erdenkliche erreicht und ist in einer Reihe mit Quincy Jones zu nennen, wollte nun mal wieder Back to the Roots und diese Jungs haben ihn einfach inspiriert. Klar, es gäbe Besseres, was das Song Material angeht. Sie haben schon sehr viel reingepresst. Manchmal ist weniger mehr.

    Aber ich kann es mir gut anhören. Da groovt man einfach mit! Hab nur sowas in den 80ern gehört :D! Bieber sehe ich eher in den 90ern, was die Retro-Schiene angeht. Nach seiner zweiten Single sagte ich schon, das wird mal die männliche Britney Spears :).

    David Foster glänzt durch bombastischen Kitsch. Das war immer sein Ding, er kann gar nichts anderes :D. Und das finde ich gut so - nicht falsch verstehen. Das ist einfach sein Ding. Natalie Cole, Celine Dion, Josh Groban - die ganz großen Gefühle, Balladen en masse. Diese Jungs wären vielleicht im etwas unpolierterem Jazz-Lager besser aufgehoben bei ihren Skills, obwohl Fusion auch grad nicht mehr so angesagt ist. Ich wär im Leben nicht darauf gekommen, dass Foster mal bei denen landet.

  • Vor 10 Jahren

    "Die Fertigkeiten der drei Musiker sind wirklich allererste Sahne. Aber warum missbrauchen sie die für derart austauschbaren Müll? Völlig emotionslos rauschen die Tracks am Hörer vorbei, auf Radioairplay und MTV gebügelt."
    Es scheint, als verwechsele der Rezensent Form mit Inhalt. Austauschbar ist das, was die drei machen ganz sicher nicht. Und das nicht nur wegen ihrer Virtuosität sondern auch Musikalität. Um das zu erkennen, bedarf es allerdings die entsprechenden "Rezeptoren" beim Hörer. Oberflächliches Schubladendenken doesn't cut it.

  • Vor 10 Jahren

    Ich bin jedesmal aufs Neue sprachlos, wenn mir diese "Rezension" ins Sichtfeld gerät. Ein Review einer renommierten Musikseite dient vielen Leuten als vorgeschalteter Filter, um das Hörenswerte vom Überflüssigen zu trennen. Daher sollte nicht der individuelle Geschmack, sondern die Sachkompetenz des Rezensenten den Auschlag bei der Beurteilung geben. Selten ist jemand so am Ziel vorbei gallopiert wie Manuel Berger. Natürlich erinnern die Texte weder an Rilke noch an Brecht. Ich bin erschüttert! Schonmal Nils Landgren Funk Unit ("All we need is da fonk") oder Tower of Power ("I like your style")gehört? In dieser Musiksparte dienen Texte dazu, die Eintönigkeit von bloßem Vocalise-Singen zu vermeiden. Sie sind meistens Mittel zum Zweck und mehr nicht. Warum nicht gleich Tupacs Musik aufgrund seiner mangelnden Gesangsfähigkeiten verreissen? Und ja, natürlich zielt die Musik von Dirty Loops auf ein großes Publikum. Ist ein Fusionmusiker nur dann ein guter Musiker, wenn ihn möglichst niemand kennt? Ich bin Musiklehrer und bei meinen Schülern, die von Funk und Fusion nicht viel halten, hat diese Musik eingeschlagen. Sie erfreuen sich am poppigen Element der Musik und werden hinterrücks mit Jazzrock infiziert. Und es wird der Tag kommen, wo sie verblüfft feststellen, dass sie Chick Corea und Herbie Hancock mögen. Denn diese Poppigkeit ist ja nur das mainstreamtaugliche Mäntelchen, dass man dieser Musik umgelegt hat. Wenn man sich an den einen oder anderen Elektrobeat gewöhnt hat, kommen bei jedem Lied soviele jazzige Licks, musikalische Gimmicks und originelle Grooves zum Vorschein, dass das Wort "Beliebigkeit" bei mir nur ein großes Fragezeichen ins Gesicht zaubert. Diesem Bassisten beim Spielen zuzusehen, ist für jeden angehenden Musiker ein Grund, sich die Freudentränen aus den Augen zu wischen und die Selbstironie, mit der diese musikalische Wundertüte garniert ist, macht diese musikalischen Ausnahmetalente noch sympathischer. Steve Lukather, Stevie Wonder und Quincey Jones sind aus dem Häuschen, wenn es um die drei jungen Burschen geht. Das heißt nicht, dass man die Musik mögen muss. Aber das sollte Herrn Berger animieren, noch einmal über die Fundiertheit seiner Kritik nachzudenken.
    Am besten hat es Georg Kreisler in seinem Lied "Der Musikkritiker" ausgedrückt
    https://www.youtube.com/watch?v=6ozEA0JJiCY

  • Vor 9 Jahren

    Habe eben gerade diese "Rezension" gelesen ...
    Herr Berger sollte sich darauf beschränken über Dinge zu schreiben von denen er etwas versteht. Ich schreibe, als professioneller Musiker, ja auch nicht Rezensionen über Bücher die sich fundiert mit z.B. neuen Theorien in der Quantenphysik beschäftigen.
    Im Übrigen verweise ich gerne auf den Link meines Vorgängers zum Kreisler-Lied ... ;-)

  • Vor 9 Jahren

    Ich kann mich meinen beiden Vorrednern nur anschliessen. Konnte gar nicht glauben was ich da lese. Auf jeden Fall können wir uns innerfamiliär z.B. im Auto immer auf diese Mucke einigen was sonst gelegentlich schwierig ist. Frau Mama geniesst unter anderem den Funkaspekt, die Kinder können schön mitsingen und ABGEHEN und der Papa freut sich über die vielen kleinen Jazzlicks und interessanten Arrangementideen. Alle begeistern wir uns ob der schieren musikalischen Spielfreude und Energie die aus jedem Ton schaut. Wozu so etwas niedergeschrieben werden muss verstehe ich nicht.