laut.de-Kritik

Feinster Dad-Pop aus dem Hause "Stranger Things".

Review von

Djo hat seine Drohung wahrgemacht und ein Album voller Dadmusik released. Im Apple Music Podcast verriet er schon im Vorfeld, dass ihm mit voranschreitendem Alter die Musik, die sein Vater gehört hat, immer mehr ans Herz wächst. Wenn die Tendenz so weitergeht, wird sein nächstes Album Rock'n'Roll, denn 2025 ist er bei den 60ern und 70ern angelangt. Sein Indie-Pop war irgendwo schon immer eine Hommage an die Popmusik vergangener Jahrzehnte. Doch während bei seinem letzten Album "Decide" die Rückgriffe in der Zeit mit Artists wie Tame Impala und Daft Punk gepaart wurden, geht es auf "The Crux" deutlich puristischer zu.

Das Album klingt, als wolle der "Stranger Things"-Star sich selbst beweisen, dass er auch vor über einem halben Jahrhundert gechartet wäre. Persönlich hoffe ich, dass der Amerikaner nun ausreichend Genugtuung verspürt, um zukünftig wieder zurück zum elektronischen Psych-Pop zu finden. Das ist aber Geschmackssache, das Experiment auf "The Crux" ist auf jeden Fall geglückt.

Es macht den Anschein, als hätte sich Joe Keery beim Schreiben selbst auferlegt, dass sämtliche Elemente mindestens 40 Jahre alt klingen müssen. Schließlich arbeitete man in den von Jimi Hendrix in den 70ern gegründeten Electric Lady Studios. "Wir haben damit gearbeitet, was dort zur Verfügung stand. Das hat natürlich die Richtung des Albums beeinflusst", erklärt er. Vielleicht hat sich Djo auch in den Museumsflügel verlaufen, mittlerweile haben die da nämlich Computer. Andere in letzter Zeit dort aufgenommene Projekte sind beispielsweise Kendrick Lamars "GNX" und "Brat" von Charli XCX.

Der Punkt ist, es geht um "klassisches" Songwriting, weniger um wabernde Elektronik. Voller Fokus auf entschlacktes, gutes Songwriting und die Gesangsperformance. Synths tauchen noch auf, wenn auch seltener und meist trocken. Den Ton geben Gitarre und Klavier an. Die Songs besitzen mehr feste Struktur als früher, dabei sind sie aber alles andere als starr. Was auch immer sie den Beatles, Cars und Talking Heads ins Wasser gemischt haben, Djo hat auch davon genascht. Er weiß, wie man den Hörer durch einen Song führt. Wie Akkordfolgen aufgelöst werden. Was nach Strophe, Bridge und Hook passiert, ist jedes Mal eine angenehme Überraschung. Auch die Oldschool-Cool-Attitüde hat er mit ausgegraben, beim Singen busted er vor meinem inneren Auge ständig Rick Astley- oder David Byrne-Moves.

Mit "Lonesome Is A State Of Mind" geht es direkt stark los. Eine süße kleine Synthmelodie nistet sich trotz der wenigen Sekunden direkt im Kopf ein. Der Song bleibt immer simpel und trotzdem voller Progression. Es ist einer dieser Tracks, die direkt Sehnsucht und Nostalgie versprühen, ohne dass man bereits etwas damit verbinden kann. An dem Switch aus tiefem, leisem Gesang mit Sprechstimmfarbe und dem hohen, befreienden Gesang im Refrain hört man sich einfach nicht satt.

So auch bei der Vorabsingle "Basic Being Basic", wobei die minimalistischen Strophen monoton und wie computerisiert klingen, bevor im Refrain wieder voll gesungen wird. Auf "Link" wird es dann rockig, mit teils kratziger und überschlagender Stimme. "Potion" fängt mit beinahe albernem Hillbilly-Geklimper an, über das Djo mit verspielter Kopfstimme singt. Doch auch diesen Song führt er organisch hin zu einer immersiven Hook.

Das Album lädt wegen seines Retrosounds immer wieder zum Einflüsse jagen ein. Das Gitarreninstrumental von "Delete Ya" erinnert zum Beispiel stark an The Police. Dabei wird es Djo aber nirgendwo zu bequem. Im Verlauf eines Songs kombiniert er bekannte Elemente immer kreativ neu, nie wird einfach nur ein Vibe eines anderen Künstlers reproduziert - mit einer Ausnahme. Ein Freund hat mich mal gefragt, ob ich es auch schaffe, eine Review ohne Beatles-Referenz zu schreiben. Kann ich ihm leider auch dieses Mal nicht erfüllen, denn "Charlie's Garden" ist eine astreine Paul McCartney-Stilübung, die wie ein Medley von "Ram" klingt.

"Fly" ist ein gemächlicher Psych-Rock-Song, der am ehesten Akustikstücke von Pink Floyd in Erinnerung ruft. Keerys sanfte, warme Stimme mit leichtem Low-Pass für den Radiofilter-Effekt kratzt einfach die richtige Stelle im Gehirn, sehr angenehm. "Gap Tooth Smile" ist der bestgelaunte Song des Albums und klingt, als hätte er am Aufnahmetag im Lotto gewonnen. Erst der drittletzte Song vom Album reißt nicht mehr ganz mit: Die Pianoballade "Golden Line" mit Queen-artig gelayertem Gesangschor. Auch "Back On You" ist allenfalls nett geraten, aber eben auch nur an schlechten Tagen ein Skip. Die Vorstellung endet mit dem wunderschönen Titeltrack.

Trackliste

  1. 1. Lonesome Is A State of Mind
  2. 2. Basic Being Basic
  3. 3. Link
  4. 4. Potion
  5. 5. Delete Ya
  6. 6. Egg
  7. 7. Fly
  8. 8. Charlie's Garden
  9. 9. Gap Tooth Smile
  10. 10. Golden Line
  11. 11. Back On You
  12. 12. Crux

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen – The Crux [Vinyl LP] €26,99 €3,00 €29,99

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Djo

Joe Keery kennen die meisten als Steve Harrington aus der Netflix-Serie "Stranger Things". In der ersten Season 2016 noch Nebencharakter, wurde der Fanfavorit …

Noch keine Kommentare