laut.de-Kritik

Allstar-Karaokeparty mit Miley, Sting, Steven Tyler und den Beatles.

Review von

2022 wurde Dolly Parton in die Rock'n'Roll Hall of Fame aufgenommen. Ihren neuen Status als Rock'n'Roll-Dame konnte die Country-Koryphäe jedoch zunächst nicht ohne Bedenken genießen, schließlich hatte sie zu jenem Zeitpunkt noch kein einziges Rock-Album herausgebracht. Um diesem Umstand Abhilfe zu schaffen, griff Dolly kurzerhand zum Telefon und trommelte ihre Kollegen aus dem Rock-Genre zusammen.

Wenn Dolly anruft, fällt das Absagen offenbar schwer: Innerhalb kürzester Zeit hatte sie ein Mega-Aufgebot an Superstars für das Album zusammen. Sei es Sting, Stevie Nicks, Steven Tyler oder die Beatles - sie alle wollten Dolly die Ehre erweisen und ihr eine Runde Rock'n'Roll-Nachhilfe geben.

Das Doppelalbum "Rockstar" umfasst 30 Songs, mehrheitlich handelt es sich um Coverversionen alter Hits. Die Songauswahl reicht von "Let It Be" bis "Wrecking Ball" und erinnert an die bunt durchmischte Playlist einer Karaoke-Party. Nur, dass hier die Originale höchstpersönlich mitwirken. Mick Jagger war allerdings schon verplant, und auch Partons Versuch, Jimmy Page und Robert Plant für "Stairway To Heaven" zu vereinen, scheiterte. Peter Frampton, der Glückspilz, war hingegen als einziger Feature-Act an gleich zwei Songs beteiligt: Zum einen als Duett-Partner für seinen Hit "Baby I Love Your Way" und als Gitarrist für "Let It Be", gemeinsam mit den leibhaftigen Beatles.

Letztere sorgten mit ihrer 'neuen' Single "Now And Then" gerade für die wohl aufregendste Musiknews des Jahres. Dabei handelte es sich nicht um die erste Beatles-Reunion in diesem Jahr. Partons Cover von "Let It Be" erschien bereits im Mai. Neben Paul und Ringo, Parton und Frampton war auch Mick Fleetwood mit von der Partie. Bei dieser Jamsession der Superlative hätten viele Fans sicher gerne Mäuschen gespielt. Dollys Version des Beatles-Hits klingt beschwingter und verhallter. Ein Background-Chor und Streicher geben dem Cover zuweilen einen etwas kitschigen Anstrich. Framptons Gitarrensolo ist keine Kopie von Harrisons Part, sondern eine eigene, würdevolle Interpretation. Die Ehre, einen Beatles-Song im Studio gemeinsam mit den Beatles aufzunehmen, wurde bislang nur Parton, ihrer Studioband und den hier genannten Feature-Gästen zuteil.

Dollys Band wird dem selbstauferlegten Rock-Anspruch des Projekts mehr als gerecht und hält sich weitestgehend treu an das Original, teilweise zu treu. Spannender wäre es gewesen, wenn sie den Coverversionen einen ganz eigenen Parton-Anstrich verpasst hätte, zum Beispiel mit innovativeren, unerwarteten Arrangements. Legt man diesen Aspekt beiseite, ist das Album dennoch solide. Maßgeblich tragen dazu natürlich auch die Feature-Gäste bei, die alle in Top-Form sind. Bedenkt man, in welch kurzer Zeit das Album aufgenommen und produziert wurde, gleicht die Qualität einem regelrechten Wunder. Parton wirkt quirlig und für ihre 77 Jahre ausgesprochen energiegeladen. Ihrer Stimme hört man das Alter an, teilweise klingt sie etwas quäkig und erinnert, besonders in den härteren Songs, an Greta Van Fleets Josh Kiszka.

Nur vier der Songs stammen aus Dollys eigener Feder ("Rockstar", "World On Fire", "My Blue Tears" und "I Dreamed About Elvis"). Im titelgebenden Track "Rockstar" wird Parton noch einmal zum rotzfrechen Teenager, der einfach nur rocken will. Der entsprechende Dialog im Intro wirkt, je nach Schmerzempfinden, lustig bis etwas peinlich ("Well, I'm gonna be in rock'n'roll, whether you two like it or not. I'll show them!").

Die sentimentale Ballade "My Blue Tears" ist eine der wenigen ruhigeren Nummern. Die Tin Whistle bringt dabei einen Hauch von Irish Folk. Nach der ersten Strophe stimmt Duran Durans Simon Le Bon ein. Der Song stammt von Partons Album "Coat Of Many Colors" (1971), die ursprüngliche Bluegrass-Version war etwas lebhafter.

In "World On Fire" vermischt Parton Sozialkritik mit Mittelalter-Rock und einem "We Will Rock You"-Beat. Dolly rechnet darin mit Heuchlern und korrupten Politikern ab und kritisiert die Apathie und Spaltung, die sie in der Gesellschaft beobachtet. Mit einem Gospel-Background-Chor singt sie: "Oh, can we rise above? Can't we show some love? Do we just give up or make a change?". Fans der amerikanischen Version von "The Office" wird der Sprechgesang "What you're gonna do when it all burns down?" an den Rap "Hey Mr. Scott, what'cha gonna do" aus der sechsten Staffel erinnern.

Der Fifties-Rock'n'Roll-Song "I Dreamed I Saw Elvis" ist eine Art Fiebertraum, in dem Dolly mit "Elvis" (Ronnie McDowell) flirtet. Beide stimmen schließlich Dollys Hit "I Will Always Love You" an. Übrigens: Auch das Duett "Wrecking Ball" mit Patentochter Miley Cyrus enthält eine Anspielung auf den Song. Parton zieht damit gewissermaßen den Cowboyhut vor ihrem eigenen Lebenswerk.

Auf den sechs verschiedenen Albencovern posiert die Country-Legende, passend zum Albumtitel, als glamouröser Rockstar. Mal sitzt sie hinter dem Leopardenmuster-Lenkrad eines Autos und trägt dabei ein Nieten-besetztes Kostüm mit Lederhandschuhen, mal hält sie eine E-Gitarre oder trägt eine sternenförmige Augenklappe. Die verschiedenen Albencover zeigen, dass Parton sich selbst nicht allzu ernst nimmt.

Vor zwei Jahren lehnte sie einen Vorschlag der Landesregierung Tennessees ab, die ihr eine Ehrenstatue errichten wollte. "In Anbetracht all dessen, was in der Welt vor sich geht, halte ich es nicht für angebracht, mich auf ein Podest zu stellen", kommentierte sie. Es ist unter anderem diese Bodenständigkeit, die alle an Dolly bewundern. Parton braucht keine Statue, um in Erinnerung zu bleiben. Die emphatische Unterstützung ihrer Musikerkollegen spricht für sich.

Mit nunmehr 49 Alben könnte Dolly entspannt den Ruhestand einläuten. Doch ihr schwebt noch ein anderes Projekt vor: Ihre letzte Platte soll ein Gospel-Album werden. Klanglich wird sie dabei wahrscheinlich den Fuß vom Gaspedal nehmen. Aber wer weiß, vielleicht überrascht sie uns ja mit einem rockigen Cover von "Personal Jesus" mit Depeche Mode.

Trackliste

Disc 1

  1. 1. Rockstar
  2. 2. World On Fire
  3. 3. Every Breath You Take (Feat. Sting)
  4. 4. Open Arms (Feat. Steve Perry)
  5. 5. Magic Man (Carl Version) (Feat. Ann Wilson & special guest Howard Lee)
  6. 6. Long As I Can See The Light (Feat. John Fogerty)
  7. 7. Either Or (Feat. Kid Rock)
  8. 8. I Want You Back (Feat. Steven Tyler & special guest Warren Haynes)
  9. 9. What Has Rock And Roll Ever Done For You (Feat. Stevie Nicks & special guest Waddy Wachtel)
  10. 10. Purple Rain
  11. 11. Baby, I Love Your Way (Feat. Peter Frampton)
  12. 12. I Hate Myself For Loving You (Feat. Joan Jett & The Blackhearts)
  13. 13. Night Moves (Feat. Chris Stapleton)
  14. 14. Wrecking Ball (Feat. Miley Cyrus)
  15. 15. (I Can't Get No) Satisfaction (Feat. P!nk & Brandi Carlile)

Disc 2

  1. 1. Keep On Loving You (Feat. Kevin Cronin)
  2. 2. Heart Of Glass (Feat. Debbie Harry)
  3. 3. Don't Let The Sun Go Down On Me (Feat. Elton John)
  4. 4. Tried To Rock And Roll Me (Feat. Melissa Etheridge)
  5. 5. Stairway To Heaven (Feat. Lizzo & Sahsa Flute)
  6. 6. We Are The Champions/We Will Rock You
  7. 7. Bygones (Feat. Rob Halford & special guests Nikki Sixx & John 5)
  8. 8. My Blue Tears (Feat. Simon Le Bon)
  9. 9. What's Up? (Feat. Linda Perry)
  10. 10. You're No Good (Feat. Emmylou Harris & Sheryl Crow)
  11. 11. Heartbreaker (Feat. Pat Benatar & Neil Giraldo)
  12. 12. Bittersweet (Feat. Michael McDonald)
  13. 13. I Dreamed About Elvis (Feat. Ronnie McDowell & special guest The Jordanaires
  14. 14. Let It Be (Feat. Paul McCartney & Ringo Starr & special guests Peter Frampton and Mick Fleetwood)
  15. 15. Free Bird (Feat. Lynyrd Skynyrd & The Artimus Pyle Band)

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1 Kommentar

  • Vor einem Jahr

    Ach, musste das sein? Schon die Originale bringen die alte Power zumeist nicht mehr rüber, muss da auch noch die Country-Oma mit ihrem Qietsche-Stimmchen uns mit glattgebügelten Versionen belästigen? Tolle playlist, ja, aber man nehme doch bitte die Urversionen. Nicht eigentlich schlecht, sondern schlicht überflüssig