laut.de-Kritik
Rock mit hohem Spaß- und Körperertüchtigungs-Faktor.
Review von Mathias MöllerEs ist amtlich: Jesus weilt wieder unter den Menschen, und Gott hat ein Herz für Rock'n'Roll. Der Sohn des Herrn hat es sich hinter der Kiste von Dover gemütlich gemacht und treibt seine drei Bandmitglieder zu Höchstleistungen an. Nein, ganz so verhält es sich dann doch nicht. Die Band mit dem irreführenden Namen stammt aus Madrid, und dort ist es durchaus normal, dass Männer den Namen des Messias tragen.
Dennoch hat der Sound von Spaniens Exportschlager Nummer eins in Sachen Gitarrenmusik manchmal etwas heilsbringend Erlösendes. Wäre Rock ein Stück Schwarzwälder Kirsch, Dover wäre die Zuckerkirsche obendrauf. Dabei können sie durchaus auch anders, der Vorgänger zu "I Was Dead For Seven Weeks In The City Of Angels" klang verglichen mit "The Flame" noch wesentlich düsterer und fast negativ. Dennoch blieben Dover mit Poppunkperlen wie "King George" in den Gehörgängen kleben wie Kaugummi am Schuh, daher überwiegt die Verzückung, wenn das neue Album vom Laser abgetastet wird.
Um es gleich vorweg zu nehmen: They've done it again. Dover packen das offene Ohr und stecken eine Zuckerwattestange gaaaanz tief rein, stöpseln das Ende des Holzsplints direkt in den Verstärker und drehen voll auf. Genau so der klingt "The Flame", Titeltrack, Opener und erste Single in Personalunion. Man will grooven, Haare schütteln, obwohl das vielleicht gar nicht angebracht und wohl auch nur mit sehr ausgefeilter Feinmotorik zu bewerkstelligen ist. Doch zum Rocken laden Dover auf "The Flame" gleich mehrmals ein: bei Midtempo-Nummern mit fiesen Drumbreaks wie "Leave Me Alone", straighten Punk-Dampfhämmern wie "Afterhours" oder "My Fault", oder aber bei fast poppenden Stampfern wie "Honest".
Die Einladung nimmt man gerne an, denn wer Dover bereits live gesehen hat, der weiß, dass die Madrilenen trotz der Tiefgründigkeit der Texte und der manchmal fast übermäßig zweifelnden Sängerin Christina Llanos ganz große Partysäue sein können. Die nachdenkliche Seite der Band erstaunt dabei immer wieder. Die dunkelhaarige Llanos sinniert über die letzten "27 Years", über Paul McCartney ("'Band On The Run' was all that I could sing") und die Figur ("All I wanted was to be thin"). Auch in "Mi Sombrero" setzt sie sich mit ihrer Unsicherheit auseinander. Wenn solch schöne Songs dabei herauskommen ... Allein dass sie bereit sein soll, für Rock'n'Roll zu sterben ("Die For Rock'n'Roll"), wirkt ein wenig dick aufgetragen.
Ein weiteres As haben die rockenden Spanier mit dem wunderschönen "Someone Else's Bed" im Ärmel. Hätte man der harten, schneidenden, alles übertönenden Stimme Christinas nicht wirklich zugetraut. Aber solche Überraschungen sind immer gerne gehört. Zumal sich Dover nicht zu sehr auf die langsamen Stücke verlassen und mit "One Black Day" hintenraus noch mal ein paar Kohlen nachlegen. Die paritätisch besetzte Combo bringt mit "The Flame" ihr bis dato vielseitigstes und wohl auch bestes Album an den Start, das Rock mit ganz hohem Spaß- und Körperertüchtigungs-Faktor verspricht. Der Live-Sommer kann kommen.
1 Kommentar
Von vorne bis hinten ein absolutes Weltklasse-Album und mit Abstand das beste von den Spaniern (obwohl das am wenigsten kommerziell erfolgreiche). Unbedingt mal antesten, wer es nicht kennt!