laut.de-Kritik
Ab jetzt nie wieder 'Schlag ... Zeug'!
Review von Alexander CordasDrummers Of Burundi. Schlagzeuger von Burundi. An dieser Stelle blenden wir gepflegt die deutsche Übersetzung aus. Warum? Wenn man sich den Sound dieses Kollektivs anhört, dann kann das gestelzt klingende 'Schlagzeug' nur fehl am Platz erscheinen. Das hier, das sind DRUMS. Und die machen DRUM!
Dabei liefert das vorliegende Tondokument von 1993 aus Peter Gabriels Real World Studio nur einen Teilaspekt der ganzen Geschichte. Die Herren, die hier ihre Instrumente vermöbeln, tanzen obendrein akrobatisch zu den Klängen ihrer DRUMS, erzählen Geschichten, balancieren die mächtigen, mit Kuh-Häuten bespannten Zylinder auf ihren Köpfen, springen meterhoch in die Luft und dergleichen. Das alles mit einem Lächeln im Gesicht.
Hier geht es nicht um martialisches Kriegs-Gedröhne, auch wenn es der Klang eventuell vermitteln mag. Die Drummers Of Burundi transportieren mit ihren Rhythmen kulturelle, politische und soziale Botschaften. So sollen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Generationen zusammenfinden und eine Einheit demonstrieren. Auch deshalb steht der rituelle Tanz der Drummers seit 2014 auf der Liste des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO.
All das kommt aus dem kleinen ostafrikanischen Land, das so klischeehaft für alles steht, das dem gemeinen Westler bei der Erwähnung des schwarzen Kontinents so durch den Kopf geht. Burundi landet nur in einem Ranking ganz oben, und zwar beim niedrigsten BIP pro Kopf weltweit. Korruption, Menschenrechtsverletzungen, willkürliche Festnahmen, Folter ... alles am Start. Dennoch gibt es hier auch das kleine Dorf Gishora, dessen Einwohner behaupten, dass hier die Geburtsstätte aller Drums liege.
Bereits im Alter von sechs Jahren beginnen Nachwuchs-Drummer damit, auf die Felle zu dreschen und erstaunlich schnell schaffen sie sich alle die Takte drauf, die hier exemplarisch zu hören sind. Jahrhunderte lang dröhnten die Trommeln durchs Hochland Burundis, anlässlich ausgewählter Festivitäten wie der Krönung eines Königs oder des Besuchs wichtiger Persönlichkeiten. Angela Merkel sollte sich das einmal im Kalender notieren und nach ihrer stressigen Amtszeit auf einen Tanztee in Burundi vorbeischauen. Es lohnt sich! Seit das Land seine Unabhängigkeit errungen hat, ziehen die Trommler durch die Welt und verbreiten die wummernde Kunde der Drummers Of Burundi.
Die vorliegende Aufnahme ist nur etwas mehr als 30 Minuten lang. Aber die haben es definitiv in sich. Wer nichts mit perkussiven Klängen anfangen kann, sollte gar nicht erst reinhören. Alle anderen dürfen sich an einem halbstündigen Wumms erfreuen, der mit 'mächtig' nur dezent umschrieben ist.
Mindestens ein Dutzend DRUMS ordnen sich in einem Halbkreis um eine Haupt-Trommel. Also immer eine ungerade Anzahl von Instrumenten. Dann geht sie ab, die Luzie. Unterbrochen nur von vereinzelten Call-and-responses und kurzen melodischen Vokal-Einlagen.
Und ja, das rumpelt in schönster Monotonie hypnotisch vor sich hin. Immer tiefer zieht es den Hörer in den rhythmischen Strudel. Die euphorischen Rufe aus den Kehlen der Musiker möchte man irgendwann genau so laut erwidern, wenn man mit dem Kopfhörer auf voller Lautstärke durchs Zimmer juckelt. Über Boxen könnte man das in einem Mietshaus keinem zumuten, die Popelei stünde keine 15 Minuten später auf der Matte. Im Vergleich dazu hört sich eine Marching Band mit ihren Drumlines an wie ein Durazell-Hase, dem gleich die Luft ausgeht.
Die geballte Power, die von den Klangkörpern ins Ohr des Hörers vibriert, bringt eine Saite im Inneren zum Schwingen, bei dem einem das Herz aufgeht. Die Drummers könnten ab einem bestimmten Zeitpunkt einfach ewig so weiter hämmern. Begeistert, hart und intensiv. Eine halbe Stunde, in denen die DRUMS kaum Ruhe geben. Es bebt, es knüppelt, es rummst und ... ja, an dieser Stelle gehen der deutschen Sprache leider die Synonyme dafür aus, was hier eigentlich abgeht. So wie die Urban Legend es mit den 50 Wörtern für Schnee im Vokabular der Inuit hat, sollte es tatsächlich andere Ausdrücke für die Urgewalt geben, die hier über einen hereinbricht. Schrompf? Brabamm? Wutumm? Ropotopotumm? Egal.
Die 30 Minuten im rhythmischen Dauerfeuer gleichen einer Katharsis. Das Atmen wird leichter, die Endorphine purzeln nur so aus Hypophyse und Hypothalamus das Rückenmark hinunter, und wenn am Ende die Euphorie den kompletten Körper durchdrungen hat, möchte man den DRUMMERS zurufen: "Heeeeyyy!" Danke dafür! Ab jetzt nie wieder 'Schlag ... Zeug'!
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
3 Kommentare
Kann ich leider persönlich nicht mitgehen…
Ich hab die CD - ist eine der langweiligsten, monotonsten Angelegenheiten die ich jemals gehört habe. Wenn sie einer zugeschickt haben möchte, gerne melden.
Um 1980 war der "Burundi Beat" sehr angesagt in der westlichen Popmusik, zwar tauchte er u.a. schon bei Joni Mitchell ("The Jungle Line") auf, aber spätestens seit Adam and the Ants Platte "Kings of the Wild Frontier" wollte ihn jeder haben. Peter Gabriel hat auch immer nach Afrika gelauscht und sich afrikanischer Traditionen ("Biko") bedient.
Heutzutage würde man das vermutlich als "cultural appropriation" verpönen. ¯\_(ツ)_/¯
"Warum? Wenn man sich den Sound dieses Kollektivs anhört, dann kann das gestelzt klingende 'Schlagzeug' nur fehl am Platz erscheinen."
Woran könnte das wohl liegen...? vielleicht, weil das Schlagzeug im Sound nicht vorkommt?