laut.de-Kritik
Einfallsreich und handwerklich hervorragend gemacht.
Review von Dani FrommVollkommen egal, dass es draußen wie aus Kübeln gießt. Hier drin scheint die Sonne, und um mir das zufriedene Grinsen aus dem Gesicht zu nehmen, wird es wohl mindestens zwei Tage (oder weitere Briefe vom Finanzamt) brauchen. Meine Güte, ist das schön geworden! Tom Bennecke, am bekanntesten vermutlich als Gitarrist der Jazzkantine, vereint seine beiden großen Leidenschaften: Jazz trifft Dub. Das Ergebnis: ein wahrhaft wundervolles Instrumental-Album, an dem schwer etwas auszusetzen ist. Außer vielleicht, dass es nach einer guten Stunde schon zu Ende ist - Sauerei!
Zentrale Figuren sind die drei Posaunisten, die sich Bennecke nicht etwa aus der Regionalliga oder dem Fanfarenzug um die Ecke rekrutiert hat. Nein, nein! Hier ist, was Handwerk und Musikalität angeht, allererste Sahne am Zug. Nils Wogram studierte in Braunschweig und New York Posaune, Klavier, Musiktheorie und Komposition, wurde mit Preisen überhäuft und gehört trotz seiner zarten 32 Jahre ohne Frage zu den führenden Jazz-Posaunisten unserer Zeit. Was dieser Herr drauf hat, lässt "Infiltration" erahnen: Wogram füllt die weiten Räume der dubbigen Produktion mit hingeworfenen Improvisationen, dass man nur so mit den Ohren wackeln möchte. Dazwischen Fetzen von Benneckes gewohnt tadellosem Gitarrenspiel - was will man mehr?
Posaune Nummer zwei ist fest im Griff von Uwe Granitza. Seine Referenzen als Begleitmusiker von Phil Collins, Bill Ramsey, Achim Reichel oder Tom Jones sprechen für sich. Auch er hat Jazzposaune studiert, auch bei ihm kann man das hören. Daneben spielt er (beispielsweise im Auftaktstück "The Curse", das mit leicht orientalisch angehauchter Melodie und viel Raum für Hall und Echos einen ruhigen Einstieg bietet, oder in "Victim Version") die Tuba, ein Instrument, das man außerhalb der Humpa-Humpa-Blasmusik ohnehin viel zu selten zu hören bekommt.
Dritter im Bunde - hier kommt die Reggae-Fraktion ins Spiel - ist der eigentlich eher als Vokalist bekannte Dr. Ring Ding. Er warf - zu Seeeds Pharaoh-Riddim - "Bombs Over Baghdad", und seine Version von "Doctor's Darling" hat ohnehin einen Ehrenplatz in meinen Gehörgängen. Dr. Ring Ding aka Richie Senior ist sonst im Verbund mit den Senior Allstars anzutreffen und ein unfassbarer Entertainer vor dem Herrn. Wenn die Vocals derart sparsam eingesetzt sind wie auf "Dub Guerilla", muss der Mann anderweitig beschäftigt werden: Man reiche ihm eine Posaune, gute Idee!
Drei Posaunen also, mal einzeln, mal gemeinsam eingesetzt, dominieren den Sound der Dub Guerilla. Satte Riddims, angenehme Melodieführung und viel Platz für Improvisationen tun das Übrige, um eine vollkommen entspannte Atmosphäre zu schaffen, selbst wenn das Tempo (wie in der deutlich Ska-haltigen Nummer "Flood In Franklin Park") stellenweise doch sehr ordentlich ist. Programmierte Beats wechseln mit Arrangements für eine "richtige" Band, Hammond-Orgel-Klänge (ebenfalls in "Flood In Franklin Park" oder "Who's Controlling Whom") lassen Kirmes-Gefühle aufkommen.
Selbst die unter normalen Umständen doch immer ein wenig lächerlich tönende Melodica, bedient von Tom Bennecke und Dr. Ring Ding, harmonisiert bestens mit freundlichen Bassläufen. Über Tom Benneckes Gitarrenspiel findet man ohnehin an jeder sich bietenden Stelle lobende Worte galore, "Victim Version" oder "Stop That Brain" liefern zwei weitere Gründe, warum dem so ist. Gleiches gilt für die Interpretation von Bob Marleys "I'm Still Waiting".
Ich suche nach einem Kritikpunkt. Ich finde keinen. "Dub Guerilla" ist hochmusikalisch, einfallsreich und handwerklich hervorragend gemacht. Gäbe es mehr Musik dieser Güteklasse, man müsste sich so viel weniger aufregen!
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