laut.de-Kritik
Dümmliche Chimären aus Deichkind und E-Rotic.
Review von Dani FrommVerschämt in der Schublade versteckt habe sie ihre Elektro-Produktionen früher, erklärt Melbeatz, aus Furcht, man könne ihr im oft allzu puristischen Hip Hop-Umfeld den Blick über den musikalischen Tellerrand übel vermerken. Bloß gut, dass sie sich von derlei Schisshasentum verabschiedet hat.
Was die Frau, die jahrelang die "Steinmauer" im Rücken von Kool Savas gab, ihren Reglern entlockt, entpuppt sich - gerade weil es sich auf knallhart auf Tanzbarkeit getrimmten Elektro handelt - als geradezu höllisch funktional. Schnurgerade prügeln einem die Beats Schädeldecke und Hirn windelweich, zwingen zu willenlosem Einreihen in die Schar devoter Dancefloor-Jünger.
Melbeatz hat, es schreit aus jedem Takt, eine Menge Yello gehört, New Order, und, klar, Kraftwerk auch. Unverblümt hämmern ihre Produktionen auf die Zwölf, bieten aber dennoch verblüffend viel Raum für Experimente und Ideen.
So spielt sie gleich im eröffnenden "Durstlöscher" mit Vorder- und Hintergründen. "Feierbiester" zitiert in einem Atemzug "Firestarter", "Codo" und "Schwule Mädchen". Knarrende Flächen unter Plastiksynthies steigern den "Druck Im Club".
"Wenn es nicht hart ist, ist es nicht das Projekt", wussten schon die ollen Rödelheimer, und weiß Melbeatz erst recht: Für das schrappende "Hart" meint man, sie habe Donna Summers "I Feel Love" zu einer Hardcore-Bratz-Version verhackstückt, ehe der Beat vollends durchdreht - aller Wahrscheinlichkeit nach in schöner Einigkeit mit jeder beliebigen Crowd. "Alles Riskieren" triezt Gehör und Verstand auf so vielen Ebenen, von links, rechts, vorne und hinten, mit zirpenden Sounds, die im Rachen knistern, als habe man sich eine großzügige Handvoll Magic Gum eingeworfen. Während "Magnet" oder "Am Strand" wellenförmig ans Trommelfell branden, zündet das "Raketenpulver", um ungebremst in Richtung Orbit abzuziehen: Die Startfreigabe erteilt Melbeatz sich selbst.
"Feierbiester" hätte eine perfekte Abfeier-Platte abgegeben, wäre Melbeatz nicht dem Irrglauben aufgesessen, derlei Clubsound bedürfe der Vocals. Was Sängerin Alexandra Prince beisteuert, bricht dem Projekt schlicht das Genick.
"Musik: elektrisierend und tanztreibend", behauptet der Beipackzettel. Stimmt soweit. "Texte: mondän und stilsicher." Bitte?! "Mach' den Mund auf!", fleht die angebliche "Hitvoice" zum Auftakt. "Mach' meine Lippen feucht." Keine Sorge: Es wird im Verlauf keineswegs weniger hohl.
Was einem als "mondän und stilsicher" angedreht werden soll, erschöpft sich in einzeiligen schlüpfrigen Anspielungen und Zweideutigkeiten, die wohl lasziv wirken sollen, in ihrer völlig fehlenden Raffinesse aber doch nur nachhaltig abturnen. "Du kommst, du kommst, du kommst, du kommst hart." Herzlichen Glückwunsch. Der Bastard, den Durstlöscher so in die Welt pressen, gleicht einer unterbelichteten Chimäre aus Deichkind und E-Rotic.
Wo nicht direkt zwischen die Beine gegriffen wird, suhlt sich Alexandra Prince in schlichtester Poesiealbums-Lyrik: "Für eine Ewigkeit mit dir würd' ich alles riskieren, komm' zu mir, ich geb' dir, was du willst." Sich aufbrezeln, abhotten und sich dann zudröhnen bis zum Filmriss: Mondän, ich verstehe. "Bock auf Party" reimt sich auf "viel Bacardi", "heiß" auf "im Kreis" und "Schweiß". Stilsicher, ah! Bloß gut, dass das dabei stand. Wäre mir sonst glatt entgangen.
Schwer zu entscheiden, ob die Dümmlichkeit der Texte die größere Herausforderung birgt - oder die Art, wie diese vorgetragen werden. Am laufenden Band versucht Alexandra Prince so krampfhaft wie vergeblich, wahlweise wie Annette Humpe, weiland bei Ideal (schlimm), wie Anna R. von Rosenstolz (schlimmer), wie Trios Stefan Remmler (ganz, ganz schlimm) oder gar wie Falco (Sakrileg!) zu klingen. Schauderhaft.
Leider lösen Durstlöscher noch nicht einmal das Versprechen ein, das sie im Bonustrack in Aussicht stellen: "Ein Lied ohne Text" ist offenbar nicht drin. So bleibt der Gastauftritt D-Flames der einzige kleine Lichtblick im Meer des Unhörbaren: "Wir lieben diese Stimme" - diese schon! - "und wir lieben diesen Beat". Ja. Bitter schade darum.
5 Kommentare
RHP!
Bob Dylan hat bessere Lyrics als die
also ich seh das so: teilweise ganz hörbare beats, wenn auch reichlich mainstream geschwängert, dämliche texte (nun gut, um inhalt geht es bei dieser band bzw. bei tanzmusik nun mal auch nicht wirklich) und irgendwie nervige stimmen
Wer hört denn Elektro wegen der tiefsinnigen Lyrics?
Gutes Review!