laut.de-Kritik
Flauschig, anders, behutsam in Watte gepackt.
Review von Miriam WolffBuff klatsch. Bassdrum und Clap, damit geht's los - im Hintergrund irgendwelches Geschwätz afroamerikanischer Mitbürger. Dann, langsam und schleichend, legen sich soulweiche Soundflächen und die Stimme eines wunderbar sanft klingenden Mannes über die Kiste.
Wirkt verwirrender Weise zunächst so, als hätte er nicht das geringste Timing, so verloren und verschwommen treffen seine ersten tonrepetierenden Floskeln aufs Ohr. Aber irgendwie schöne Töne produzieren kann er schon - ausgestattet mit einem unaufdringlichen, immer dezenten Puff-Timbre. Seine irgendwie kranke Rhythmik legt er mit erstaunlichem Selbstbewusstsein den Gesangsphrasen zu Grunde, wenn auch der Gesang nie besonders vordergründig abgemischt ist. Ist ja rhythmisch auch schon subtil genug. Bald tauchen auch seine Singsänge auf, um die Wette mit sich selbst. Aha.
Ich vermute, er redet von Party oder so, aber auch das ist nicht gerade verständlich. An was erinnert mich der nur? Vergleiche sind meistens sowieso falsch, aber manchmal unverkneifbar. Selbst wenn Dwele ein Fitzelchen mehr mainstreamig ist und mehr Sphärensounds benutzt als "Neo-Soul"-Gott D'Angelo - seine Art, mit Tönen und Chören zu basteln und ihr Verhältnis zum drunter liegenden Groove ähneln ihm schon.
Die Harmonien und Klangflächen fühlen sich an wie eine Art Schwebe. Fühlt sich zwar nicht schlecht an, weich und fließend, aber wo geht's hin, wo kommt's her? Der leicht verwirrte Zustand ändert sich, trotz diverser Groovewechsel auch bis zum vierten Stück nicht maßgeblich. Bassdrum, mit einem Sound, als hätte man einen Perserteppich drüber geworfen, ein begabter Bass-Mann, ein Hauch von funkigen Gitarrenfills, und Tiefe spendende, winzige Streicherfetzen. Das Gesangsmotto von Dwele lautet weiterhin schlicht "mitsingen unmöglich".
"Possible" ist unverkennbar eine melancholische Schnulze. Man rafft zur Abwechslung mal auf Anhieb die eleganten Changes und die Songstruktur. Ein Drehwurm durch den Refrain bleibt einem aber auch hier nicht erspart, allerdings ist immer noch nicht entschieden, ob das gut oder schlecht ist. Schließlich muss man das erst mal hinkriegen. Aber vielleicht könnte mal langsam jemand den Nebel von dieser undurchsichtigen Scheibe wegheben.
Das geschieht dann endlich bei "Sho Ya Right". Ein Kopf-Wippstück, eingängig, groovebetont, hiphoplastig durch Scratchgeräusche. Dwele erinnert einen, obwohl er singt, stark an Rap. Und dann kommt sie, die Einsicht, wie eine Welle: Dwele ist ein Hip Hopper. Ein verrückter Rapper, der zufällig mit einer Stimme ausgestattet wurde, mit der es dumm wäre, nicht zu singen. Und wegen Unterforderung hat er einfach seine Flowfähigkeiten, die sonstige Sänger timingtechnisch nicht mal annähernd benutzen, über Soulmelodiefetzen gepackt. Kein Wunder, dass man das nicht sofort peilt, ist 'ne komische Mischung, aber wird mit jedem Anhören interessanter.
Ein wenig schade ist es schon, dass man die Phrase des nächsten Songs so gut versteht. "Money don't mean a thing - I'd rather have someone that makes me happy" ist doch wohl ein - ein bisschen zu gewollter Vertrieb ethischer Werte. Egal, Genuss stellt sich schließlich ein. Soll uns doch Dwele beweisen, dass er keinen Bock hat, uns eine allzu simple Hookline vor die Füße zu kotzen. Soll er doch seine grazilen verdrehten komischen Schwurbelteile bilden, wenn er mag. Mit seinem Samtorgan.
Und dieses beweist er darauf in einer Bravour, die man ihm wegen nachhaltiger Verwirrung gar nicht zugetraut hätte. Ein langsamer Shuffle, "Trust me baby, I can fight".... und ich staune: Das ist Sinatra. Also, man hätt's fast nicht erkannt, aber der Bub singt "I get a kick out of you". Und es ist flauschig, anders, behutsam in Watte gepackt, und beweist eindeutig Dweles Crooner-Fähigkeiten, ohne auf dem Original rumzutrampeln.
Ab diesem Moment ist alles gut, und das Gefühl bleibt zurück, dass man noch einige Zeit mit dieser Platte verbringen können wird. Und dabei noch etliche bisher überhörte Feinheiten übrig hat. Vielleicht kann ich's dann ja irgendwann sogar mal mitsingen. Baby, es war eine schwere Geburt mit dir, aber ich glaub, ich mag dich.
Noch keine Kommentare